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Ein Betonmischer kehrt heim

Der Motor hustet und spuckt, als hätte er einen Katarrh. „Der Luftkompressor“, sagt Hans Eisele, seufzt und dreht den Zündschlüssel wieder um. Er steigt aus, kippt mithilfe der Hydraulik die Fahrerkabine nach vorn und schaut sich den so freigelegten Motor näher an. „Der ist nicht ganz dicht. Kein Wunder bei dem Alter“, sagt er und setzt den Schraubenschlüssel an. Hans Eisele ist ein Mechaniker der alten Schule. Seit 37 Jahren ist er bei Liebherr in Bad Schussenried, wo er normalerweise hochmoderne Betonmischfahrzeuge mit Mischtrommeln und Förderbändern ausrüstet. Heute aber hat der 62-Jährige den nicht ganz dichten „Oldie“ vor sich: einen Liebherr-Fahrmischer HTM 602 aus dem Jahr 1977.

Fast 40 Jahre war das gute Stück zuvor in Luxemburg bei der Firma Bétons Baatz im Dauereinsatz gewesen und hatte dort beharrlich und zuverlässig seine Runden gedreht. Als das Unternehmen das Fahrzeug mit seinem historischen Magirus-Unterwagen dann doch irgendwann ausmusterte und er auf dem Betriebshof vor sich hin zu rosten begann, kaufte Liebherr den Fahrmischer zurück, um ihn in der schwäbischen Heimat wieder in Form zu bringen und zur Erinnerung an die Gründertage des Produktbereichs für Kunden und Besucher auszustellen.

So ein altes Fahrzeug flottzumachen, ist immer auch ein kleines Abenteuer.

Hans Eisele

Eine Herkules-Aufgabe

„Man weiß anfangs nie, was noch zu gebrauchen ist, wo nur gefeilt, geschmirgelt, lackiert und geschmiert werden muss oder wo Bauteile komplett auszutauschen sind. Da stellt sich dann aber sofort die Frage: Gibt es die Originalteile überhaupt noch? Und wenn ja, wo?“, sagt Hans Eisele. Für den undichten Kompressor musste ein entsprechender Reparatursatz eigens beschafft werden. Jetzt, wo alle Teile da sind, kann Eisele mit seinem Schraubenschlüssel zur Tat schreiten.

Er bekommt Unterstützung von Peter Burkhart. Dieser ist eigens aus dem rund 50 Kilometer entfernten Ulm gekommen, um zu schauen, wie der Stand der Reparaturen an dem Oldtimer ist. Mit historischen Fahrzeugen kennt sich Burkhart bestens aus. Er ist Vorstand des Vereins „Magirus IVECO Museum Ulm“ und hatte aus seinen Museumsbeständen begehrte Bauteile für die Restaurierung des Fahrzeugs beisteuern können. „Es gibt viele restaurierte Kipperfahrzeuge, aber ganz selten einmal einen historischen Betonmischer. Das ist also ein echter Schatz. Für unser Museum kommen aber nur Feuerwehrautos infrage“, erklärt er dem Mechaniker Hans Eisele.

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Das Leben in Luxemburg

1977 hatte der Liebherr-Fahrmischer HTM 602 seine berufliche Laufbahn in Luxemburg begonnen. Als der ganze Stolz der Firma Bétons Baatz in Ingeldorf. „Das war ein tolles Fahrzeug“, erinnert sich Jean-Paul Baatz, der bei Magirus Kfz-Techniker gelernt hatte und später in den elterlichen Betrieb eingestiegen war. „Nur eines war damals nicht ausgereift. Der Mischer wurde noch über einen großen Zahnkranz am vorderen Trommelbereich angetrieben. In unebenem Gelände gab es da schon mal Probleme beim Verwinden des Chassis.“ Deswegen habe Liebherr schon bald den Zahnkranz durch das Planetengetriebe ersetzt. „Aber unser Mischer war deswegen umso mehr einzigartig.“

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Wir haben hier Magirus-Fahrzeuge von 1920 bis 2012. Darunter die schönsten Feuerwehrautos der Welt.

Peter Burkhart

Unterstützung durch Profis

Der Motor springt an und lässt das Fahrzeug erzittern: Der Auspuff spuckt eine blaue Wolke in die Lagerhalle. Peter Burkhart legt im Cockpit zwei Handschalter um. Blaulicht kreist durch das Halbdunkel, das Martinshorn sendet sein Tatütata durch die alte Außenstelle des „Magirus IVECO Museum Ulm“. An fünf Orten in und um Ulm sind derzeit die Lkw-Oldtimer verteilt. Das neue Museum im nahegelegenen Münsingen wird erst in den nächsten Wochen eröffnet. „Das hier ist eines der schönsten Feuerwehrautos der Welt“, erzählt Peter Burkhart stolz den Besuchern Hans Eisele und Klaus Eckert über das gerade gestartete Gefährt, „ein Rundhauber TLF 16 aus dem Jahr 1962. 125 PS mit 2.400 Liter Wassertank“, so der Oldtimer-Experte. Das beeindruckt seine Gäste aus Bad Schussenried. Dann schwingt er sich aus der Fahrerkabine herab und öffnet die seitlichen Schränke des Löschfahrzeugs. Es ist so ausgerüstet, als müsse es gleich zum Brandherd ausrücken: Fein säuberlich sortiert finden sich hier Sauerstoffflaschen, Beil, Schlauchrollen, Verteilerstücke, Werkzeugkiste, Spaten, Blechschere und auf dem Dach eine zweiteilige Holzleiter.

Hier in der Halle sind Besucher wie Hans Eisele und Klaus Eckert eher die Ausnahme. Es handelt sich mehr um eine Art XXL-Garage und Werkstatt für die Oldtimer-Fans und -Schrauber aus dem Museumsverein. Doch genau damit trifft Burkhart gerade ziemlich den Nerv der beiden Männer. Denn die sind auf der Suche nach weiteren Originalteilen für eine möglichst detailgetreue Restaurierung des Retromischers. „Das ist ja unglaublich, was hier für historische Lkw-Schätze stehen“, sagt Hans Eisele anerkennend, und er staunt nicht schlecht, wie gut sich Museumschef Peter Burkhart mit all den vielen Details der Fahrzeuge auskennt.

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Für Klaus Eckert und Hans Eisele vergeht die Zeit in Ulm auf diese Weise wie im Flug. Aber sie nehmen mehr mit als viele gute Geschichten und Anekdoten: Auch die Kabine eines Feuerwehrautos ist dabei. Ein Original-Magirus-Bauteil aus den 70ern. Wie gemacht für den Retro-Mischer in Bad Schussenried. Die alte Kabine war sehr verrostet, die Blecharbeiten wären sehr umfangreich gewesen, da war die Ersatzkabine von einem Feuerwehrfahrzeug die beste Lösung.

In der Montagehalle in Bad Schussenried stehen die „Neuen“ Spalier. Alle Marken sind hier vertreten: Mercedes, MAN, Volvo, DAF, IVECO, Scania ... Für jedes Modell gibt es passende Aufbauten. Heute haben Mischertrommeln in der Regel ein Füllvolumen von neun Kubikmetern, manchmal sind es sogar 15 Kubikmeter. Das war nicht immer so. „Früher waren sechs Kubikmeter Standard“, erinnert sich Klaus Eckert. Wie bei dem Retro-Mischer. Der Wiederaufbau der in die Jahre gekommenen Mischertrommel sei eine echte Herausforderung gewesen. Die Liebherr-Mechaniker mussten die Trommel und das Zubehör dafür zunächst komplett zerlegen und eine Bestandsaufnahme aller defekten oder fehlenden Teile machen. „Es waren mühselige Recherchen im technischen Büro und in alten Handbüchern notwendig, um alte Teilenummern ausfindig zu machen“, erinnert sich Eckert. Im Archiv konnten alte Zeichnungen von Mikrofilmen abgenommen und ausgedruckt werden. „Auf dieser Grundlage haben wir dann die fehlenden Teile nachgebaut.“

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Mit Hans Eisele klettert Peter Burkhart in die neue alte Kabine. Drinnen sieht es im Vergleich zu den gleich nebenan stehenden Hightech-Boliden der Gegenwart alles andere als komfortabel aus. „Früher war nicht alles schlechter“, stellt Peter Burkhart fest. „Auch wenn wir keine Lenkradverstellung und Luftfederung in den Sitzen hatten, konnten wir super in diesen Fahrzeugen unterwegs sein.“

Es ist deutlich erkennbar: Der HTM 602 ist bald angekommen an seinen gestalterischen und technischen Ursprüngen. Die Kollegen im Werk verfolgen aufmerksam die letzten Schritte. „Damit eine Landpartie zu fahren, wäre schon eine echte Schau“, meint Hans Eisele. „Wenn du mit einem solchen Oldtimer unterwegs bist, hast du überall Freunde“, bestätigt Peter Burkhart. „Die Leute drehen sich nach einem um, lächeln und winken – meistens jedenfalls.“

Das Fahrmischer-Quartett