Im Gespräch mit Bernd Rösch, Abteilungsleiter Versuch, Verzahntechnik: das Unplanbare planen
Bernd Rösch ist seit 2017 Abteilungsleiter im Versuch der Liebherr-Verzahntechnik GmbH. Seine Zeit bei Liebherr begann schon Ende der 90er mit einer Ausbildung zum Feinmechaniker. Nach einem Studium kam er als Ingenieur zurück und hat als Mitarbeiter im Versuch den Aufbau des Bereichs mitbegleitet. Von anfangs vier Mitarbeitern ist die Abteilung stetig gewachsen. Nun betreut er als Abteilungsleiter mit seinem 20-köpfigen Team Kunden auf der Reise zum perfekten Prozess und der richtigen Maschine.
Doch wie sieht diese Reise eigentlich genau aus? Wie gestaltet sich so ein Kundenversuch und welche Herausforderungen bringt der Bereich mit sich? Wir haben genauer nachgefragt.
Sie leiten den Versuch bei der Liebherr-Verzahntechnik GmbH. Was macht Ihre Abteilung und wie gestalten sich Ihre Aufgaben dort?
Wie der Name schon sagt, führen wir Versuche durch. Wir testen und verbessern Prototypen unserer Verzahnungsmaschinen, deren Baugruppen und die zugehörige Software für eigene Produktentwicklungen oder Technologieversuche. Wir stellen Fehler und Rückmeldungen aus dem Feld nach, um Lösungen zu finden. Vor allem testen und entwickeln wir natürlich Prozesse und Technologien für Werkstücke von Kunden aus jeglichen Branchen: Automobil, Windkraft, E-Mobilität, Lohnfertiger, Aerospace und auch unsere eigenen Verzahnwerkzeuge aus dem Werk in Ettlingen. Die Prozesse im Kundenversuch, Technologie- und Produktversuch ähneln sich dabei stark. Alle Mitarbeiter arbeiten in den drei Bereichen mit und können so ein Produkt von der Entwicklung an begleiten und später an der gleichen Maschine die Herstellung eines Zahnrads für unsere Kunden testen.
Meine Aufgabe dabei ist sicherzustellen, dass alles bereitsteht, damit das Team seine Arbeit machen kann. Das fängt natürlich mit der Maschinenbeschaffung an. Auch intern haben wir hier Lieferzeiten, die wir mitberechnen müssen. Das heißt, ich muss teilweise heute schon wissen, was wir in einem Jahr testen wollen. Planung ist das A und O. Maschinen, Werkzeuge, Werkstücke und Personal müssen organisiert werden, der Maschinenpark muss immer auf dem neusten technischen Stand sein. Ich setze Prioritäten und agiere hier auch als Bindeglied, nicht nur zwischen dem Produkt- Technologie- und Kundenversuch, sondern auch zu anderen Abteilungen wie dem Vertrieb, dem Service und der Produktentwicklung.
Wir demonstrieren live was wir können und beweisen, dass wir der richtige Partner sind.
Ein Kunde möchte also zum Beispiel ein Werkstück herstellen und den perfekten Prozess dafür finden. Wie ist hier das übliche Vorgehen?
Der Kunde kommt zu uns mit einer Werkstückzeichnung und möchte es auf einer unserer Maschinen hergestellt sehen. Zuerst müssen grundlegende Dinge geklärt werden. Auf welcher Maschine soll das Zahnrad bearbeitet werden, mit welcher Technologie, welches Werkzeug kann eingesetzt werden, mit oder ohne Automation, etc. Dabei fühle ich mich oft wie ein Kind im Süßigkeiten Laden. Es gibt so viele Wege und Möglichkeiten, ein Zahnrad herzustellen und wir müssen den Besten finden.
Die Versuchsvorbereitung muss so schnell wie möglich abgewickelt werden, um die ersten Lösungswege zu präsentieren und die Ergebnisse in die weitere Arbeit einfließen zu lassen. Während des ganzen Versuchsablaufes hat der Kunde einen Ansprechpartner, der für alles zuständig ist. Vom Angebot bis zum abschließenden Versuchsbericht. Wenn die Vorbereitung sitzt, kommt der Kunde zur Versuchsdurchführung zu uns ins Haus und kann sich vor Ort von unseren Maschinen und technologischer Kompetenz überzeugen.
Wir verstehen uns als eine Art Werbeabteilung für den Vertrieb – wir demonstrieren live was wir können und beweisen, dass wir der richtige Partner sind.
Was macht Liebherr denn zum richtigen Partner?
Bei uns steht der Kunde und dessen Zahnrad im Mittelpunkt. Wir haben das Know-how und die Technologie. Wir sind aber vor allem flexibel. Wenn wir noch nicht die perfekte Lösung für das Werkstück oder die Anforderung des Kunden haben, schauen wir uns das gemeinsam an, legen die Karten auf den Tisch, zeigen was wir bereits anbieten und was wir neu entwickeln können. Die offene Kommunikation und gemeinsame Erarbeitung einer Lösung schafft eine starke Bindung zum Kunden.
Ganz wichtig: Wir können auf Augenhöhe kommunizieren. Unsere Mitarbeiter sind alle Experten in ihren jeweiligen Technologien und wissen genau, von was sie reden. Die meisten sind schon seit der Ausbildung bei uns und kennen sich aus in der Verzahntechnik. Wir benutzen das Produkt für unsere eigenen Versuche auch auf die gleiche Weise wie der Kunde später in der Produktion – so haben wir den Gesamtüberblick und können gut reagieren, wenn es an die Fehlersuche geht.
Dazu kommt unser Maschinenpark. Wir haben alle Technologien und alle Größen vertreten. Wenn ein Kunde also beispielsweise eine LGG 500 kaufen möchte, kein Problem, wir haben sie und können sie präsentieren.
Keine Maschine von der Stange
Ein Besuch im Werk von HMC Gears in Indiana war der Auftakt zu einem umfangreichen Projekt, bei dem eine einzigartige Lösung für außergewöhnliche Anforderungen entstand: Mit der LC 4000 beschreitet Liebherr neue Wege für die Herstellung von Großverzahnungen und vereint unterschiedliche Fräsverfahren auf einer hoch effizienten Maschine für den amerikanischen Zahnrad-Spezialisten.
Was war bisher Ihr Highlight während Ihrer Zeit im Versuch bei Liebherr?
Die Wälzfräsmaschine LC 4000 für Großverzahnungen für HMC Gears. Das war so ein Fall, wo wir das richtige Maschinenkonzept noch nicht hatten, aber wussten, wir können es entwickeln. Es sollten auf einer Maschine sowohl Stirnradverzahnungen als auch Doppelschräg- und Pfeilverzahnungen mit Durchmessern von 2,5 – 4 Meter hergestellt werden. Wir haben am Ende mehrere Frästechnologien, inklusive 4-Achsfräsen mit universellen Schaftfräser, in einer Maschine vereint.
Wir haben die einzelnen Baugruppen und Software getestet. Die Maschine wurde bei uns komplett aufgebaut und der Kunde kam zur Vorabnahme nach Kempten. Dann ging es für die Maschine über den großen Teich, um sie in den USA wieder für die Endabnahme aufzubauen. Das war ein großes und herausforderndes Projekt, aber am Ende diese Dimensionen vor Ort zu sehen und das Ergebnis all der Hürden und Arbeit zu betrachten – das macht Stolz und riesigen Spaß.
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Job?
Planung ist in meiner Abteilung das A und O. Und genau das ist die Herausforderung: das Unplanbare zu planen. Egal wie strukturiert man alles aufbaut und plant, wir stoßen quasi täglich auf unerwartete und kurzfristige Änderungen, wie zum Beispiel Lieferverzögerungen bei Werkzeugen und Vorrichtungen, fehlende Versuchswerkstücke oder es kommt ein dringender Servicefall dazwischen.
Die Koordination unserer Maschinen, verschiedener Baugruppen und deren Varianten mit unseren Mitarbeitern ist nicht leicht. Und wenn man denkt, dass man die Aufgabe für den Tag gemeistert hat, werden manchmal alle Pläne umgeworfen. Dann ist schnelles Denken und Handeln gefragt. Das kann nervenaufreibend sein, aber genau diesen Kitzel brauche ich auch.
Dazu muss man sagen, am Ende funktioniert das alles auch nur, weil wir so ein eingespieltes Team sind und auch die anderen Abteilungen uns verlässlich zuarbeiten. Jeder zieht an einem Strang.
Was macht die Arbeit bei Liebherr für Sie aus?
Man spürt, dass es ein Familienunternehmen ist. Ich mag die Beständigkeit und das familiäre Umfeld. Man kennt und trifft regelmäßig die Entscheidungsträger des Liebherr Konzerns und kann mit ihnen ganz normal auf Augenhöhe reden.
Wir überzeugen mit unseren Produkten und unserer technologischen Kompetenz, anstatt uns aufzubauschen und die Wettbewerber klein zu reden. Die Verzahnungswelt ist nicht einfach, man lernt nie aus. Aber Liebherr schafft den Raum und das Vertrauen, genau diesen Lernprozess kontinuierlich gemeinsam mit den Kunden zu bestreiten.