7 Minuten | Magazin 01/2021
Krangeschichte am Persischen Golf
Es ist weit mehr als eine geografische Beschreibung: das Land „gen Morgen“.
Funkelnd wie tausendundeine Nacht
Dort geht die Sonne auf, zumindest von Deutschland aus gesehen, und funkelt – im Klassiker Tausendundeine Nacht ebenso wie Ende des letzten Jahrtausends, als 1999 das über 1,5 Milliarden US-Dollar teure Burj Al Arab internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Das 321 Meter hohe Hotel auf künstlichem Grund war der Startschuss von Dubais steiler Karriere als eine der meistbesuchten Städte weltweit – und für den Aufsehen erregenden Einsatz der ersten Liebherr-Krane in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Al Faris montiert mit dem Liebherr-Raupenkran LR 11000 42 Stahlelemente für die EXPO 2021.
Diese wurden ab 1997 geliefert und damit in dem Jahr, in dem Hongkongs Staatshoheit an China übergeben wurde. Die Labour Party unter Tony Blair nach 18 Jahren einen Regierungswechsel herbeiführte. Und Madelaine Albright Außenministerin der USA wurde. Lange her. Ebenso lange ist es her, dass die sieben Emirate am Persischen Golf, gelegen zwischen Saudi- Arabien und dem Oman, nicht zu den touristischen Magneten der Welt gehörten. Das hat sich kräftig verändert, allen voran für Dubai, das heute auch bezüglich Finanzverkehr, Immobilien, Infrastruktur, Handels- und Passagierströmen international ganz vorne dabei ist. Nichts scheint hier unmöglich.
Damals, als die Bauherren mit dem Luxushotel Burj Al Arab neue Maßstäbe in Sachen Architektur und Luxus setzten und die Herzen der Globetrotter eroberten, hatte das Liebherr- Werk Ehingen noch keine eigene Niederlassung in den Emiraten. „Trotzdem bauten wir auf vier Liebherr-Mobilkrane mit Traglasten von 70 bis 300 Tonnen, als wir einen 65 Tonnen schweren Querbalken an das segelförmige Gebäude setzen mussten“, erinnert sich Hilary Pinto. Er ist Gründer der Al Faris Group und gehört mit inzwischen 380 Liebherr-Kranen zu unseren größten Kunden weltweit.
Holger Amann, Geschäftsführer Liebherr Middle East FZE
Der erste von vielen Mobilkranen war im Sommer 1997 in Ehingen als Gebrauchtkran instandgesetzt worden und trat seinen Seeweg zum Persischen Golf an. Ihm folgten bis heute rund 670 weitere Fahrzeuge. Während die Krane fixfertig montiert in den Häfen von Dubai oder Abu Dhabi ankommen, sitzt das Team für den Vertrieb und Service in der 2005 eröffneten Niederlassung in der Dubaier Freihandelszone Jebel Ali Free Zone. Insgesamt 14 Beschäftigte sind hier bei der Liebherr Middle East FZE für die Krane aus Ehingen zuständig und betreuen die über 50 Kunden in den sieben arabischen Emiraten.
„30.000 Betriebsstunden und über 15 Jahre Laufzeit sind in dieser Region ganz üblich“, so Holger Amann, der seit 2007 für Liebherr vor Ort in Dubai die Geschäfte führt. „Dabei sind die Umweltbedingungen hier besonders harsch: In den Sommermonaten sind die Fahrzeuge Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten ausgesetzt. Dann kommen noch Salz und Sand in der Luft dazu – und trotzdem werden die Krane nicht, wie beispielsweise in Europa, nach vier oder fünf Jahren ausgetauscht. Unsere Monteure haben daher einen full time job!“
Unsere Kunden erwarten kompetenten Service rund um die Uhr – und wir stehen bereit.
Amann schmunzelt, während er das erzählt. Full time, das bedeutet in seinen Breitengeraden nämlich tatsächlich 24/7. Nonstop. Rund um die Uhr. „Feierabend, Wochenende, Feiertage? Gibt es hier nicht. Man kann Dienstleister Tag und Nacht anrufen und auf einen sofortigen Einsatz vertrauen“, so Amann.
Passend zu diesen ausgefallenen Uhrzeiten sind auch die Orte oft außergewöhnlich: Viele Krane sind im Brückenbau, mitten in der Wüste oder auf vorgelagerten Inseln zur Ölförderung im Einsatz oder heben große Yachten ins Meer.
Auch die Al Faris Group, das 1992 gegründete Familienunternehmen mit 3.300 Mitarbeitern an zehn Standorten in und außerhalb der VAE, baute und baut an derlei Spezialprojekten kräftig mit. Kürzlich auf dem Gelände der auf 2021 verschobenen EXPO 2020, wo die unter anderem größten in Dubai betriebenen Liebherr-Krane zum Einsatz kamen: der LTM 11200-9.1 zum Beispiel, der stärkste mobile Teleskopkran der Welt.
Übergabe in der Liebherr-Niederlassung in Dubai: Sveakran erhält zwei neue Mobilkrane (LTM 1160-5.2 und LTM 1300-6.2).
Neuerdings ist ein Liebherr-Kunde übrigens nur einen Kilometer entfernt zu finden: Der Kranverleiher Sveakran hat seinen Unternehmenssitz ebenfalls in der Freihandelszone und jüngst seinen Fuhrpark um zwei neue Mobilkrane erweitert. Der Dritte ist bereits unterwegs, der Vierte bestellt. Omran, die Muttergesellschaft von Sveakran, die seit Jahren erfolgreich Liebherr-Turmdrehkrane verleiht, hat mit den Maschinen und Menschen „Made in Germany“ gute Erfahrung gemacht. Salah Mohamed, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, berichtet: „Die Mitarbeiter sind sehr engagiert, die Technik auf dem neuesten Stand, Ersatzteile schnell verfügbar. Hier in Dubai schätzen wir die deutschen Tugenden wie Pünktlichkeit, Qualität und Zuverlässigkeit ganz besonders.“
Die persönliche Beziehung zum Kunden sei in den VAE, die mal britische und portugiesische Kolonie waren und erst 1971 unabhängig wurden, genauso wichtig wie überall sonst auf der Welt: „Unsere Zusammenarbeit mit den Kunden ist geprägt von großem Vertrauen“, sagt Holger Amann. Die kulturelle und ethnische Vielfalt im Land macht den Job erst zu einer dauerhaft interessanten Herausforderung. Das Land hat knapp 10 Millionen Menschen und einige von ihnen haben Anfang dieses Jahrtausends sehr viel Geld verdient. „Zwischen 2008 und 2011 kam durch die internationale Finanz- und Schuldenkrise auch in den VAE vieles zum Stillstand. Dann kam ein erneuter, großer Aufschwung, bis nun durch Corona manches wieder schwieriger wurde. Weniger Touristen, fallender Ölpreis, weniger internationaler Frachtverkehr sind typisch für das Jahr 2020, und das trifft die VAE zwangsläufig und unmittelbar.“
Immer noch aber sind die Metropolen der VAE Orte, die niemals schlafen. Und wenn doch mal jemand schläft? Hebt ein Liebherr-Kran vielleicht gerade einen Walhai aus dem Aquarium ins offene Meer. So geschehen vor einigen Jahren im Atlantis The Palm, dem bekannten Luxushotel auf der größten künstlichen Insel der Welt, der Palm Jumeirah. Das hat es in den Sammlungen von Tausendundeiner Nacht noch nicht gegeben, damals, 250 Jahre nach Christi Geburt. Aber gepasst hätte es doch zum Morgenland und dem, wie Holger Amann sagt, „Disney-Land für Erwachsene“.
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2021.