Mobil- und Raupenkrane
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6 Minuten | Magazin 01/2022

Einfach erklärt: TraXon DynamicPerform

Martin Dony aus der Abteilung Entwicklung und Konstruktion Kranfahrgestelle erklärt die Vorteile von TraXon DynamicPerform.

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Martin Dony - Entwicklung und Konstruktion Kranfahrgestelle

Die Nasse Anfahrkupplung

Bei der Bauma 2019 haben wir ein neues Getriebe angekündigt, mit dem das Anfahren und Rangieren von Mobilkranen verschleißfrei werden soll: TraXon DynamicPerform. Seither wurde das neue Getriebe intensiv erprobt und weiterentwickelt. Nun ist es serienreif. Zunächst wird es im neuen LTM 1110-5.2 verbaut sein, danach werden wir es schrittweise – beginnend mit anderen 5-Achsern – in unsere Mobilkrane von drei bis fünf Achsen einbauen. Martin Dony, Ingenieur in der Entwicklung und Konstruktion von Kranfahrgestellen, erklärt, was genau DynamicPerform ist und welche Vorteile das neue Getriebe in der Praxis bietet.

Eigentlich ist DynamicPerform gar kein neues Getriebe, sondern das neue Kupplungsmodul des TraXon-Getriebes von ZF. Der große Vorteil in einem Satz: Es bietet nahezu verschleißfreies Anfahren und zentimetergenaues Rangieren, ohne zu überhitzen.

Bevor ich darauf eingehe, wie das genau funktioniert, möchte ich in der Geschichte der Getriebe in Liebherr-Mobilkranen etwas zurückgehen. Bis vor rund 20 Jahren hatten wir in all unseren Mobilkranen Automatikgetriebe in unterschiedlichen Größen, je nach Fahrzeuggewicht. Dank des integrierten Drehmomentwandlers waren Kupplungsvorgänge verschleißfrei. Als nachteilig erwiesen sich jedoch das hohe Gewicht und der hohe Preis, sowie der hohe Kraftstoffverbrauch und die niedrigen Geschwindigkeiten aufgrund der kleinen Anzahl an Gängen.

Mit dem LTM 1100/2 führten wir 1999 das erste automatisierte Schaltgetriebe aus der damals neuen AS-TronicGetriebefamilie von ZF bei Liebherr-Mobilkranen ein. Mit der elektronischen Getriebesteuerung waren automatische Kupplungs- und Schaltvorgänge ohne Zutun des Fahrers möglich. 12 beziehungsweise 16 Gänge erlaubten bei besserem Schaltverhalten den Betrieb des Dieselmotors im optimalen Drehzahlbereich und führten zu einer wirtschaftlicheren und kraftstoffsparenden Fahrweise.

Allerdings mussten sich viele Kranfahrer zunächst an den anspruchsvolleren Umgang mit der Trockenkupplung gewöhnen. Durch die erhöhte Reibbelastung beim Anfahren und Rangieren konnte es zum Verschleißen des Kupplungsbelags und zur Überhitzung der Kupplung kommen. Aus diesem Grund wurden die Fahrzeuge mit einem zweistufigen Verteilergetriebe ausgerüstet. Dient die zweite Stufe normalerweise der Erhöhung des Drehmoments und folglich der Vergrößerung der Steigfähigkeit, wird beim Kranfahrzeug die Übersetzung ins Langsame zur Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit ausgenutzt. So kann das Schleifen der Kupplung während dem Rangieren reduziert und damit der Verschleiß des Reibbelags minimiert werden.

2017 wurden die AS-Tronic-Getriebe vom modularen Getriebesystem TraXon abgelöst. Diese grundlegend neu entwickelte Getriebebaureihe bot Verbesserungen beim übertragbaren Drehmoment und dem Wirkungsgrad, Schallemissionen wurden deutlich reduziert. Gleichzeitig wurden neue Funktionen wie die Berganfahrhilfe „HillstartAid“ und das Fahrprogramm „ECOdrive“, eine kraftstoffverbrauchsoptimierte Schaltabstimmung, eingeführt.

Aber auch beim neuen Getriebesystem war eine verschleißfreie Anfahr- und Schaltkupplung für leichtere Fahrzeuge nicht verfügbar. Da die Wandlerschaltkupplung vom TC Tronic HD beziehungsweise TraXon Torque Getriebe, das wir ab 6-Achsern einsetzen, zu schwer und zu kostspielig für kleinere Mobilkrane ist, wurde hier schon seit längerem nach einer Alternative gesucht. Nachdem in der Vorentwicklung von ZF die grundsätzliche Realisierbarkeit einer ölgekühlten Lamellenkupplung als Anfahrelement untersucht worden war, wurde das Projekt „Nasse Anfahrkupplung“ für Mobilkrane und Sonderfahrzeuge gestartet und Liebherr als Leitkunde bei der Entwicklung von ZF involviert.

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DynamicPerform entlastet Kranfahrer und reduziert Instandhaltungskosten.

Martin Dony - Entwicklung und Konstruktion Kranfahrgestelle

„Nasse Anfahrkupplung“

Hauptaufgabe der Kupplung zwischen Dieselmotor und Getriebe ist der Drehzahlausgleich zwischen An- und Abtriebsseite. Zu Beginn des Anfahrvorgangs dreht der Dieselmotor zunächst etwas höher als die Leerlaufdrehzahl. Der dahinterliegende Teil vom Antriebsstrang (Getriebe, Gelenkwellen, Verteilergetriebe, Achsen und Räder) steht still. Wird die Kupplung nun langsam geschlossen, dann wird durch Reibungskräfte zwischen den Kupplungsflächen die Drehzahl des Dieselmotors auf die Abtriebsseite übertragen und der weitere Antriebsstrang in Bewegung gesetzt. Da die Abtriebsseite aber noch nicht mit der gleichen Drehzahl wie die Antriebsseite dreht, wird ein großer Teil der Antriebsenergie aufgrund der Reibung in Wärmeenergie umgewandelt. Die Drehzahl der Abtriebsseite nimmt nach und nach zu und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs erhöht sich weiter. Die Reibungswärme entsteht bis zum sogenannten Kupplungspunkt, ab dem sich die Drehzahl der Abtriebsseite an die Antriebsseite angeglichen hat.

Die Wärmeenergie wird bei einer Trockenkupplung von der Druckplatte (Stahlmasse) und dem Kupplungsbelag aufgenommen. Die Druckplatte kühlt wegen des geringen Wärmeübergangs zwischen Stahl und Luft nur langsam ab. Wird die Belagsscheibe häufig mit großer Wärme beaufschlagt, dann verschleißt diese schneller.

DynamicPerform basiert jedoch auf dem Prinzip einer nasslaufenden Lamellenkupplung, deren typisches Merkmal die parallele Anordnung mehrerer Reibbeläge ist. Dadurch können die Lamellenscheiben mehr Wärmeenergie aufnehmen. Durch die Kühlung der Lamellen mit einem Ölstrom kann die Wärme aber auch schnell wieder abgeführt werden. Das Öl der Kupplung gibt die Energie in einem Öl-Wasser-Wärmetauscher an den Kühlmittelkreislauf des Dieselmotors ab und wird dann im Kühlsystem abgeführt.

Das neue Kupplungsmodul verfügt über eine integrierte Steuereinheit für das Ölkühlsystem. Hierfür hat ZF softwareseitig eigene Temperaturmodelle für die besonderen Anforderungen im Mobilkran entwickelt und zusammen mit Liebherr eingehend erprobt. Über Druck- und Temperatursensoren können der Zustand der Kupplung überwacht und in kritischen Situationen Schutzfunktionen aktiviert werden. Versuche in der Kältekammer bei bis zu minus 40 Grad bestätigen, dass DynamicPerform auch bei extrem niedrigen Temperaturen zuverlässig funktioniert.

Klare Vorteile

Was sind nun die Vorteile der Kupplung im täglichen Einsatz? Alle Anfahrvorgänge verlaufen verschleißfrei, was bedeutet, dass dabei kein Bauteil der Kupplung abgenutzt wird. Auch harte Anfahrten, wozu beispielsweise das Anfahren in Steigungen zählt, sind in kurzen Zeitabständen mehrfach möglich. Schließlich ist beim zentimetergenauen Rangieren, bei dem nur ein Bruchteil der Motordrehzahl von der Kupplung an den Antriebsstrang übertragen wird, das Schleifen der Kupplung dank der Ölkühlung ebenfalls verschleißfrei. Die Wärmeabführung verhindert das Überhitzen der Kupplung und steigert die Verfügbarkeit des Fahrzeugs.

Kranfahrer können sich nun voll auf die Fahrmanöver konzentrieren und müssen sich keine Gedanken über die Beanspruchung der Kupplung machen. Kranbetreiber profitieren von der langen Lebensdauer und der vereinfachten Wartung der Kupplung. Der Ölwechsel kann im gleichen Serviceintervall wie andere Tätigkeiten durchgeführt, Stillstandszeiten auf ein Minimum verkürzt werden. Hierdurch lassen sich bei der Instandhaltung Kosten einsparen. So macht innovative Technologie Mobilkrane wieder ein Stück besser.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2022.

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