8 Minuten | Magazin 02/2021
Vom Unfall-Kran zum Schmuckstück
Von groß bis klein, von alt bis jung, auf Rädern oder Raupen – das täglich Brot unserer Kollegen in der Reparaturabteilung ist die Wiederaufbereitung von gebrauchten Kranen.
Jeder Kran hat seine Geschichte
Jeder Kran ist anders und bringt seine eigene Geschichte mit. Die Aufbereitung erfolgt individuell: Der Käufer entscheidet, welche Leistungen durchgeführt werden. Je nach Kundenwunsch legen unsere Profis Hand an, reparieren, montieren, polieren und modernisieren die Krane.
Hier werden Krane aufgemöbelt
Bei uns in Ehingen werden selbst die härtesten Fälle wieder auf Hochglanz gebracht. Rund 60 Mitarbeiter sind im Herstellerwerk mit Reparaturen betraut. Das sind Fachkräfte mit langjähriger Erfahrung, technischem Know-how und uneingeschränktem Zugang zu jeglichen Krankomponenten sowie Dokumentationen und Zeichnungen. Zudem können die gleichen Vorrichtungen, Bearbeitungsmaschinen und Spezialwerkzeuge wie in der Kranproduktion verwendet werden. Wir haben dokumentiert, wie ein Unfallkran LTM 1130-5.1 mit Totalschaden instand gesetzt wird, um Ihnen einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Wie läuft eine derartige Instandsetzung ab? Was passiert nacheinander und wie gehen die Mitarbeiter vor? Der 130-Tonner mit Baujahr 2018 kam nach 2-jähriger Einsatzzeit von der Straße ab und hatte sich überschlagen. Der komplette Kran wies schwere Beschädigungen auf. Nach der Generalüberholung für den südkoreanischen Kranbetreiber Muhan sieht der LTM 1130- 5.1 aus wie ein Neukran, leistet gleich viel und ist technologisch auf dem neuesten Stand!
Nur Profis können Unfallkrane qualitativ und technologisch auf den Stand eines Neukrans bringen.
Das begeistert auch unsere Experten: „Richtige Großprojekte sind spannend“, erzählt Stefan Kneissle, Leiter des Reparaturwesens. „Wenn ein anfangs total verbeulter Kran überarbeitet wird, sodass er am Ende wie neu aussieht und natürlich auch qualitativ und technisch auf Vordermann ist, macht uns das schon stolz.“
Bequeme Abwicklung
Einen Unfall würde jeder gern vermeiden, aber es passiert doch immer wieder mal einer – aus welchen Gründen auch immer. Um Sie in dieser Situation bestmöglich zu unterstützen, bieten wir Ihnen eine Rücknahme des Krans an – auf Ihren Wunsch mit oder ohne Versicherungsabtretung. Denn wir wissen, dass die Abwicklung mit der Versicherung sehr komplex und zeitintensiv ist. Deshalb kümmern wir uns darum, damit Sie sich auf Ihr Kerngeschäft, den Kranbetrieb, konzentrieren können.
Demontage des Krans
Der schwer beschädigte LTM 1130-5.1 wurde mit einem Tieflader nach Ehingen gebracht. In der Reparaturhalle demontierten die Mitarbeiter den Kran und dokumentierten sowie beurteilten dabei die Schäden.
Der Wippzylinder war beispielsweise so schwer beschädigt, dass er komplett getauscht werden musste. Die Ballast-Grundplatte hingegen war laut der Begutachtung noch intakt und konnte weiterverwendet werden.
Instandsetzung und Austausch
Die Fachkräfte demontierten die komplette Drehbühne. Die Rollendrehverbindung sowie das Drehwerk wurden ausgebaut, gewaschen und an den Hersteller zur Befundung geliefert. Das instand gesetzte Drehwerk konnte wieder eingebaut werden, während die Rollendrehverbindung erneuert wurde.
Der Oberwagenmotor war gebrochen und musste ersetzt werden. Die Mitarbeiter demontierten die gesamte Antriebsgruppe, entsorgten beschädigte Teile fachgerecht und montierten den neuen Motor vor. Dazu zählen Funktionsprüfungen und Inspektionsarbeiten.
Zusammenbau nach Wiederaufbereitung
Die Instandsetzung des Krans ist in den letzten Zügen. Die Reparaturexperten haben die zerdrückte Krankabine aufwendig und vorsichtig aufgetrennt, um die Hauptkabelstränge erhalten zu können und die neue Kabine anzuschließen.
Am demontierten Ausleger wurde jedes einzelne Teleskop sowie das Anlenkstück komplett auf Risse überprüft. Die Mitarbeiter bauten den vom Hersteller reparierten Teleskopierzylinder nach der Vormontage auf dem Pressenprüfstand auf und führten anschließend einen Funktionstest durch. Nach dem Zusammenbau des Auslegers wurde dieser im Prüfstand getestet.
Geschafft!
Der instand gesetzte 130-Tonner besteht erfolgreich die erste Probefahrt. Nach der Bremsenprüfung bauen die Mitarbeiter den LTM 1130-5.1 auf dem Abnahmeplatz auf und führen die erforderlichen Funktionstests durch. Sie begutachten zum Beispiel das Hubseil auf kompletter Länge und ziehen es unter Last auf. Anschließend werden der Kran und sämtliche Zubehörteile, wie Ballast und Klappspitze, zum Lackieren vorbereitet.
Der überholte und neu lackierte Gebrauchtkran auf dem Weg zu seinem neuen Besitzer .
Stefan Kneissle - Leiter Reparaturwesen
3 Fragen an Stefan Kneissle
Wie läuft eine Generalüberholung eines Unfallkrans ab?
Stefan Kneissle: Als Erstes führen wir eine detaillierte Schadensaufnahme durch. Das heißt, der komplette Kran wird auf Schäden untersucht. Dazu zählt auch die Demontage des Krans und die Zerlegung von Komponenten. Manche davon bauen wir aus, um sie dann an den jeweiligen Lieferanten zu senden. So können die Beschäftigten der Liebherr-Ettlingen GmbH beispielsweise den Motor fachmännisch zerlegen und befunden und die Experten aus dem Liebherr-Werk Biberach kümmern sich um die Rollendrehverbindung. Je nach Befund wird dann entschieden, ob die Komponenten repariert oder komplett erneuert werden. Währenddessen überprüfen unsere Mitarbeiter sämtliche Einzelteile am Kran und beginnen mit der Instandsetzung von Grund auf. Jedes Blech und jedes Rohr, alle Verschraubungen und Verkabelungen werden gereinigt, instand gesetzt oder ausgetauscht. Jedes einzelne Teil am Kran wird so kontrolliert. Im gleichen Zug führen wir Inspektionsarbeiten wie Öl- und Filterwechsel sowie sämtliche Funktionsprüfungen durch. Dazu zählen auch Probefahrten und die Abnahme auf dem Testgelände. Am Ende übergeben wir einen voll funktionsfähigen und leistungsstarken Kran in der gewohnt hohen Liebherr-Qualität an die Abteilung Versand zur Auslieferung an den Kunden.
Warum setzt Liebherr Krane mit Totalschaden instand und was ist Ihnen besonders wichtig dabei?
Stefan Kneissle: Ein Liebherr-Kran ist immer noch ein Liebherr-Kran, auch wenn er schwer beschädigt ist. Es ist ein Qualitätsprodukt und insbesondere bei Kranen mit jüngerem Baujahr besteht immer noch ein Restwert. Unser Ziel ist es, dem Kran neues Leben einzuhauchen. Wenn wir als Hersteller einen Liebherr-Kran instand setzen, können wir sicher sein, dass dieser Kran weiterhin unseren gewohnt hohen Qualitätsanspruch und unsere werksinternen Standards erfüllt.
Wir legen großen Wert auf Sicherheit bei der Wiederaufarbeitung von Unfallkranen. Gleichzeitig achten wir darauf, möglichst viele Teile weiterhin zu verwenden. So können beispielsweise aus einem beschädigten Fahrerhaus die intakte Elektrik und Pneumatik oder auch einzelne Komponenten ausgebaut und in ein neues Fahrerhaus eingebaut werden. Damit werden Ressourcen geschont! Beschädigte Bauteile entsorgen wir gereinigt und sortenrein getrennt.
Welcher Gebrauchtkran, der überholt wurde, ist Ihnen in intensiver Erinnerung geblieben?
Stefan Kneissle: Das war ein LTM 1800, den wir im Jahr 1989 repariert haben. Der 8-Achser war der größte Kran, den Liebherr damals im Programm hatte. Er hat uns fast ein dreiviertel Jahr lang beschäftigt. Nach einem Bedienfehler war der Kran zusammengebrochen und war stark beschädigt. Wir mussten ihn bis auf den Rahmen in Einzelteile zerlegen. Nach und nach haben wir ihn wieder zusammengesetzt, aufgebaut und funktionstüchtig gemacht. Es ist für mich eine besondere Erinnerung, weil ich bei der 2-wöchigen Überführung zum Kunden Usabiaga nach Spanien mit dabei sein konnte. Der Kran ist übrigens inzwischen in Panama und dort regelmäßig im Einsatz.
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2021.