Mobil- und Raupenkrane

7 Minuten | Magazin 02/2019

Auf dem Weg zum Kunden

Im Jahr 2014 feierte die Liebherr-Werk Ehingen GmbH die Auslieferung des 30.000sten Fahrzeugkranes. Seither kamen pro Jahr im Schnitt 1.700 neue Krane hinzu, sodass wir im Jahr 2020 die Marke von 40.000 Kranen knacken werden.

Verladung des Anlenkstücks des LR 11350 in Bangladesch

Bis in den letzten Winkel unseres Planeten

Die neuen Krane sowie mehr als 200 Gebrauchtkrane und über 70.000 Ersatzteilsendungen liefern wir jedes Jahr bis an die entlegensten Orte unserer Erde. Dabei sind nicht nur Handelsgesetze, Zölle, Genehmigungsverfahren und Transportrestriktionen unsere täglichen Begleiter, sondern auch Handelsstreitigkeiten und Embargos. Über die Herausforderung, Krane und Kranteile genau dorthin zu bringen, wo unsere Kunden sie brauchen, sprechen wir mit unserem kaufmännischen Geschäftsführer Mario Trunzer, unserem Versandleiter Benjamin Buchmüller und unserem Leiter Zoll/Import Michael Schuster.

Mario Trunzer, Kaufmännischer Geschäftsführer, Liebherr-Werk Ehingen GmbH

Wie kommen unsere Krane zu Kunden in Deutschland, Europa und Übersee?

Benjamin Buchmüller: Unsere deutschen Kunden holen ihre Krane meist selbst bei uns im Herstellerwerk ab. Krane ins europäische Ausland und nach Übersee liefern wir direkt zum Kunden, auf die Baustelle, den Bestimmungshafen oder zu unseren lokalen Niederlassungen. Die Grundgeräte der Mobilkrane werden in erster Linie auf eigener Achse überführt. Wenn möglich und sinnvoll weichen wir aber auch auf Wasserwege aus. Wir bringen beispielsweise Geräte für unsere Kunden in den Niederlanden mit dem Binnenschiff von Mannheim nach Rotterdam. Beim Kranzubehör setzen wir neben dem Lkw-Transport auch auf die Schiene. So konnten wir im vergangenen Jahr 160 Waggonladungen mit Kranzubehör von Ehingen aus in die Seehäfen und von dort auf den Weg zu unseren Kunden bringen.

Wir als Unternehmen tragen die volle Verantwortung, alles richtig zu machen. Daher müssen alle Verfahren korrekt durchgeführt werden.

Mario Trunzer, Kaufmännischer Geschäftsführer, Liebherr-Werk Ehingen GmbH

Nach Übersee geht es dann hauptsächlich auf sogenannten RoRo-Schiffen (roll on, roll off). Das sind im Prinzip schwimmende Parkhäuser, die für den Pkw-Transport konzipiert wurden. Neben Platz für etwa 6.500 Pkw verfügen sie über Schwerlastdecks, auf denen Baumaschinen, Traktoren oder eben auch Mobilkrane transportiert werden können.

Mario Trunzer: Als Unternehmen mit Direktvertrieb und einem hohen Exportanteil war es schon immer eine ausgesprochene Herausforderung, Krane in jede noch so exotische Ecke dieser Welt zu bringen. Darum haben wir schon frühzeitig eine leistungsfähige Versandabteilung aufgebaut, wobei Ausfuhrverfahren und Exportkontrollen bei uns schon lange geübte Praxis sind.

Zudem arbeiten wir mit einem verlässlichen Netzwerk an Partnern im Bereich Logistikdienstleistungen von Lkw-Unternehmen und Speditionen über Hafenbetriebe bis hin zu den Reedereien.

Benjamin Buchmüller, Versandleiter

Welche Herausforderungen gibt es da konkret?

Benjamin Buchmüller: Eine unserer größten Herausforderungen in den letzten Jahren und ganz sicherlich auch für die Zukunft ist die Infrastruktur mit den daraus resultierenden stetig steigenden Auflagen für unsere Krantransporte. Brückenablastungen, Fahrzeiteinschränkungen und vorgeschriebene Begleitungen durch private Unternehmen oder die Polizei sind da nur einige der Stichworte auf unserer Liste. Auch die lange Bearbeitungsdauer von Transportgenehmigungen durch die Behörden bleibt bei uns ein Dauerthema. Nicht nur wir, sondern auch unsere Kunden sind mit diesen Herausforderungen täglich konfrontiert.

Mario Trunzer: Aufgrund der baufälligen Infrastruktur können wir zum Beispiel nicht mehr auf direktem Weg zu den von uns genutzten Seehäfen wie Hamburg oder Bremerhaven fahren. Allein der Mehraufwand für die Umwege kostet uns pro Jahr eine Million Euro. Eine Besserung ist leider nicht in Sicht.

Herr Buchmüller hat sich da vor Ort in Bangladesch persönlich jedes Schlagloch angeschaut.

Mario Trunzer, Kaufmännischer Geschäftsführer, Liebherr-Werk Ehingen GmbH

Bei der Entwicklung von neuen Krantypen spielt die Logistik eine immer wichtigere Rolle, also die Frage: Wie bringe ich einen Kran von A nach B? Dabei geht es um Gewichte, Abmessungen und Achslasten. Die Möglichkeit, bei unseren neu entwickelten Kranen LTM 1090-4.2 und LTM 1110-5.1 neben 12 Tonnen auch mit 10 Tonnen Achslast fahren zu können, ist in diesem Zusammenhang ein großer Vorteil für uns und unsere Kunden.

Was war Ihr bisher anspruchsvollster Versand?

Benjamin Buchmüller: Das war die Lieferung eines LR 11350 nach Bangladesch für einen russischen Kunden im vergangenen Jahr, mit Sondertransporten im In- und Ausland sowie dem Erstaufbau auf der Baustelle.

Straßenpräparation für den Kranversand

Die Planung des Transportes hat mehrere Monate in Anspruch genommen. Wir mussten die Strecke untersuchen, auf der sich 52 Brücken, Feldwege und vom Monsunregen weggespülte Straßen befanden. Das Wasser im Binnenhafen vor Ort war zu niedrig für ein normales Schiff. Daher mussten wir ein Spezialschiff mit wenig Tiefgang finden. Bei diesem Transport waren neben diversen Abteilungen bei uns im Werk auch Liebherr-Gesellschaften in Russland und Indien sowie unsere Transportpartner beteiligt. Wir haben den Kran auf die Baustelle geliefert und die Kollegen aus Russland und Indien haben ihn aufgebaut und dem Kunden mit Einweisung übergeben.

Mario Trunzer: Herr Buchmüller hat sich da vor Ort in Bangladesch persönlich jedes Schlagloch angeschaut.

Benjamin Buchmüller (lacht): Diese Reise hat mich nicht nur beruflich sondern und auch persönlich geprägt. Sie wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben.

Michael Schuster, Leiter Zoll/Import

Beim Warenverkehr über internationale Grenzen spielt das Thema Zoll eine wichtige Rolle. Was gilt es dabei zu beachten?

Mario Trunzer: Wir als Unternehmen tragen die volle Verantwortung, alles richtig zu machen. Daher müssen alle Verfahren korrekt durchgeführt werden.

Michael Schuster: Das bedeutet für uns einen sehr hohen Prüfaufwand. Im Vorfeld müssen wir alle außenwirtschaftsrechtlichen Daten und Dokumente beschaffen. Wir reden hier beispielsweise von Ursprungsnachweisen und Zolltarifnummern bis hin zu Embargovorschriften und Ausfuhrgenehmigungen. Alle diese Informationen werden dann gebündelt in Zollanträgen an die deutsche Zollverwaltung geschickt. Nach Prüfung durch den Zoll erfolgt die finale Freigabe und wir erhalten das Ausfuhrbegleitdokument. Nur mit diesem Dokument kann die Ware Deutschland verlassen.

Insgesamt wird immer mehr Verantwortung auf die Firmen übertragen. Das bedeutet ein Plus an Kontrollen, Audits und Bürokratie. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gibt es auch Sanktionslisten zu konkreten Unternehmen und Personen. Wir sind für die entsprechende Prüfung verantwortlich.

Soweit es geht, arbeiten wir natürlich mit Standardverfahren in Eigenregie. Unsere Zusammenarbeit mit den Zollbehörden und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist sehr eng und auf einem hochprofessionellen Niveau. Wir arbeiten mit einer zertifizierten Software und einem automatisierten Zoll-Abwicklungssystem. Weiterhin haben wir vom Zoll genehmigte „vereinfachte Verfahren“ (zollrechtliche Bewilligungen) im Einsatz. Ob wir einen LR 13000 oder eine kleine Schraube exportieren, der Aufwand für die Zollabteilung ist fast gleich hoch. So haben wir bei einem Kran nur eine Zolltarifnummer, bei einem Ersatzteilauftrag sind es aufgrund der Teilevielfalt viele unterschiedliche. Selbst bei Kleinteilen ist das Ursprungsland zu ermitteln und anzugeben. Wenn uns bei der Zollabwicklung ein Fehler unterläuft, könnte die komplette Lieferung gestoppt werden.

Benjamin Buchmüller: Im Ersatzteilbereich sind die Herausforderungen in diesem Zusammenhang teilweise größer als beim Kranversand. Kein Tag gleicht dem anderen, Aufträge sind kaum planbar, häufig sind wir unter Zeitdruck. Da ist die enge Zusammenarbeit mit allen beteiligten Abteilungen erforderlich. Gemeinsam mit unseren Kollegen der Beschaffung, Logistik, Customer Service, Zoll und den Landesgesellschaften erreichen wir eine hervorragende tägliche Auslieferquote im hohen 90-prozentigen Bereich.

Gitterstücke des LR 13000 bereit zum Abtransport in Ehingen

Bei diesem Thema stellt sich natürlich die Frage, welche Auswirkungen ein harter Brexit hätte.

Mario Trunzer: Wir wären absolut betroffen, da wir Teile von englischen Lieferanten beziehen und Krane nach England verkaufen. Wir machen dort einen Umsatz von 60 bis 70 Millionen Euro pro Jahr. Völlig unklar ist die Komplexität der Abwicklung – wie schwierig und zeitaufwendig wird sie? Aber zusätzliche Verfahren schrecken uns nicht, da wir alle Prozeduren beherrschen. Damit bei Bauteilen von englischen Lieferanten keine Fehlteile entstehen, haben wir vorgesorgt und etwas mehr Reserven bei uns geschaffen.

Verladen der Drehbühne des LR 11350 in Bangladesch

Michael Schuster: Der Kunde in England muss vielleicht etwas länger warten. Aber das Know-how haben wir. Ob wir nach Norwegen, in die Schweiz oder eben nach England liefern: Es wäre dann ein normales Drittlandgeschäft. Spannend wird die Frage sein, ob auf unsere Produkte in England Zölle anfallen.

Benjamin Buchmüller: Problematisch wird jedoch sicherlich die Anfangs- oder Übergangszeit nach einem Brexit. Allein der Hafen Dover spricht aktuell von rund 10.000 Lkw, welche den Hafen täglich ohne Grenzkontrollen passieren. Durch die Einführung von Grenzkontrollen mit nur 2 Minuten pro Lkw prognostiziert die Hafengesellschaft in Dover tägliche Staus mit einer Länge von circa 30 Kilometern.

Mario Trunzer: Hier zeigt sich wieder: Egal, in welchen Winkel dieses Planeten wir liefern, ohne die professionelle Arbeit der Versand- und Zollabteilung geht gar nichts!

Versand und Zoll in Zahlen (2018)

• 2.050 Krane (neu und gebraucht)
- 1.820 auf eigener Achse
- 230 per Tieflader
- 900 Anträge zur Durchführung von Schwertransporten
- 5.200 Lkw (Raupenkrane und Kranausrüstung)

• 160 Eisenbahnwaggons ab Ehingen

• 50 Krane auf Binnenschiffen ab Mannheim

• 920 Krane auf Seeschiffen, davon 670 nach Übersee

• Ersatzteilversand:
- 141.000 Lieferscheine
- 3.100 Luftfrachtsendungen, 1.028 Tonnen
- 58.900 Sendungen mit Kurier-, Express- und Paketdiensten, 1.002 Tonnen
- 13.900 Stückgutsendungen, 21.480 Tonnen

• 19.000 Zollanträge mit insgesamt 152.000 Anmeldepositionen

• 50.000 Artikel mit Ursprungsland gepflegt

• 58.000 Artikel mit Zolltarifnummer versehen

• Zu 55.000 Verkaufsaufträgen Verbringungsnachweise verwaltet

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2019.

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