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Blick auf China

In den vergangenen Jahren hat die Volksrepublik China eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: Sie ist inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und soll weiterwachsen. Auch für die Firmengruppe Liebherr ist das Land von großer Bedeutung – und das nicht nur als Absatzmarkt und Produktionsstandort. Armin Natter und Patrick Schulz, zwei Geschäftsführer der Liebherr (China) Co., Ltd., erklären warum.

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Der Aufdruck „Made in China“ entwickelt sich zu einem Gütesiegel. Welche Bedeutung hat der chinesische Markt vor diesem Hintergrund für die Firmengruppe Liebherr?

Armin Natter: Früher stand „Made in China“ vor allem für günstige Massenfertigung. Gerade in den letzten 25 Jahren hat sich die Volksrepublik jedoch sehr stark weiterentwickelt. Heute produziert China nicht mehr nur günstig, sondern in vielen Fällen auch effizient und mit neuen, teilweise sogar nachhaltigen Technologien. Das Land ist führend in der Kommunikations- und Netzwerktechnik, der Elektromobilität und bei alternativen Energien wie Solar- und Windenergie.

Patrick Schulz: „Made in China“ entwickelt sich zudem zum weltweiten Standard für Zukunftstechnologien wie 5G, künstliche Intelligenz oder Robotics. Damit ist China nicht mehr nur als Absatzregion und Produktionsstandort interessant, sondern auch als Markt für Technologieentwicklung und Ressourcen. Zeitgleich mit diesem Wandel ist auch die Bedeutung von China für die Firmengruppe Liebherr in den vergangenen Jahren sukzessive gestiegen. Das zeigt sich nicht nur an unseren zahlreichen Aktivitäten und Investitionen im chinesischen Markt, sondern auch an der positiven Umsatzentwicklung der letzten Jahre.

Die Bedeutung von China für die Firmengruppe Liebherr ist in den vergangenen Jahren sukzessive gestiegen. Das zeigt sich nicht nur an unseren zahlreichen Aktivitäten und Investitionen im chinesischen Markt, sondern auch an der positiven Umsatzentwicklung der letzten Jahre.

Patrick Schulz

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Welche Produktsegmente der Firmengruppe profitieren aktuell am stärksten vom chinesischen Markt?

Patrick Schulz: Großes Wachstumspotenzial besteht sicherlich im Segment Aerospace und Verkehrstechnik. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wird China der größte Flugzeugmarkt weltweit sein. Dies ist im Hinblick auf unser Serviceangebot, zu dem Wartungen, Reparaturen und Überholungen zählen, von Vorteil. Des Weiteren ergeben sich Chancen aus der Beteiligung an neuen Flugzeugprogrammen, wie etwa am Single-Aisle-Flugzeug C919 oder dem Regionaljet ARJ21. China besitzt außerdem schon heute das größte Schienenverkehrsnetz der Welt und setzt im Bereich der Hochgeschwindigkeitstechnologie Maßstäbe. Für das Produktsegment Verzahntechnik und Automationssysteme war China 2020 der größte Markt außerhalb Europas. Treiber dieser Entwicklung waren die Wind- und die Automobilindustrie. Insbesondere für die Fertigung von immer komplexeren Teilen für Elektromotoren werden in Zukunft noch präzisere Verzahnmaschinen benötigt.

Armin Natter: Auch im Bereich der Komponenten sind wir in China auf Wachstumskurs. Im Jahr 2020 entfielen laut Global Wind Energy Council 56 Prozent der neu installierten On- und Offshore-Windkraftkapazitäten weltweit auf China. Als wichtiger Lieferant der chinesischen Anlagenbauer fertigt das Segment Komponenten Großwälzlager, Drehantriebe sowie Hydraulikzylinder. Diese finden ihre Anwendung in der Rotorlagerung sowie in der Verstellung von Rotorblatt und Gondel. Um diesen zunehmenden Bedarf zu decken, bauen wir unsere lokalen Produktionskapazitäten aus. So werden wir in naher Zukunft eine neue Montagelinie für Hydraulikzylinder, die unter anderem für die Windbranche bestimmt sind, in Dalian in Betrieb nehmen. Darüber hinaus versorgen wir von Europa aus unsere chinesischen Partner mit Einspritzsystemen für große Dieselmotoren, produzieren aber auch Komponenten für Baumaschinen.

Die insgesamt positiven Aussichten im chinesischen Markt gelten ebenfalls für unsere Erdbewegungsmaschinen und das Mining-Segment. Denn unsere Maschinen werden sowohl bei Infrastrukturprojekten eingesetzt als auch in der Rohstoff- und Energiegewinnung des Landes. Wir produzieren in Dalian ein Programm von Raupenbaggern, Radladern und Materialumschlagmaschinen für den chinesischen Markt sowie für Exportmärkte. Der Vertrieb von Kühl- und Gefriergeräten in China entwickelt sich auch erfreulich. Traditionell sind wir in China auch in den Produktsegmenten Mobil- und Raupenkrane, Betontechnik und Maritime Krane auf einem guten Weg.

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Die Corona-Pandemie und die damit zusammenhängenden Herausforderungen haben das Jahr 2020 stark geprägt. Wie haben sich die Geschäfte in dieser Zeit in China entwickelt?

Armin Natter: China hat sich als sehr effektiv in der Umsetzung differenzierter, ortsspezifischer Gegenmaßnahmen erwiesen. So wurden etwa in Wuhan ganz andere Maßnahmen als in Shanghai umgesetzt. Bereits zwei Monate nach dem Ausbruch des Coronavirus begann China, sich wirtschaftlich zu erholen.

Patrick Schulz: Die ergriffenen staatlichen Maßnahmen betrafen zudem vor allem das erste Quartal des Jahres 2020. Sie fielen damit in die wirtschaftlich ohnehin weniger dynamische Zeit rund um das chinesische Neujahrsfest. In den meisten Produktsegmenten konnten wir 2020 den Umsatz in China im Vergleich zum Vorjahr steigern. Allein das Produktsegment Aerospace und Verkehrstechnik konnte sein Vorjahresniveau durch die Folgen der Corona-Pandemie nicht erreichen. Wir rechnen mit einem längeren Erholungsprozess.

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Was waren für Sie die Höhepunkte des vergangenen Geschäftsjahrs in China?

Patrick Schulz: Hervorzuheben ist der Neubau unseres regionalen Headquarters in Shanghai. Wir konsolidieren auf rund 15.000 Quadratmetern sämtliche Zentralbereiche und Vertriebsaktivitäten der Firmengruppe in China. Im Zuge des Neubaus werden dort zudem alle Reparaturkapazitäten des Aerospace-Bereiches angesiedelt und weiter ausgebaut.

Darüber hinaus investieren wir aktuell in weitere Produktionsstandorte. Mit einem Werk in Pinghu intensiviert das Produktsegment Verkehrstechnik seine bestehenden Aktivitäten in China. Im neuen Werk werden künftig modernste Komponenten für Schienenfahrzeuge entwickelt, produziert und getestet. Eine neue Produktionsstätte in Dalian wird zudem ab 2022 Komponenten für die Windenergiebranche sowie für den Einsatz in Baumaschinen und stationären Anwendungen fertigen. Im Bereich der Betontechnik arbeiten wir daran, unsere lokalen Engineering-Kompetenzen in unserem Werk in Xuzhou aufzubauen und eine Mischanlage speziell für den chinesischen Markt zu entwickeln.

Armin Natter: Ein weiterer Höhepunkt des vergangenen Jahres war zudem die Auszeichnung unseres elektrischen Mining-Baggers R9150B E auf dem Construction Machinery Summit T50 mit dem „Best Application Award“. Der R9150B E ist das beste Gerät seiner Klasse. Da die Elektrifizierung von Mining-Geräten für uns ein Schwerpunkt ist, bieten wir heute das größte Sortiment an elektrisch betriebenen Mining-Baggern auf dem Markt. Darüber hinaus haben wir speziell für die Bedürfnisse des industriellen Materialumschlags ebenfalls Geräte mit elektrischem Antrieb entwickelt.

Neubau des regionalen Headquarters in Shanghai

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Liebherr kann auf eine über 40-jährige Geschichte in der Volksrepublik China zurückblicken. Können Sie uns das skizzieren?

Armin Natter: Der Grundstein zu unseren Aktivitäten in China wurde durch die Öffnungspolitik 1978 gelegt. Noch im gleichen Jahr eröffnete Liebherr sein erstes Repräsentanzbüro in Peking. Diese Politik war jedoch nicht der sofortige Start einer Marktwirtschaft. Vielmehr fanden die Reformen schrittweise durch aufeinanderfolgende 5-Jahres-Pläne statt. China öffnete seine Wirtschaft nur zögerlich der restlichen Welt. Bis Ende der 1980er Jahre war das Land deshalb in erster Linie ein Export- und Lizenzmarkt für Liebherr.

Patrick Schulz: Weitere Reformen haben uns in den 1990er Jahren zunehmend Kooperationen und Joint Ventures ermöglicht, bei denen wir vor allem Technologie- und Managementwissen eingebracht haben. Unser erstes Joint Venture wurde 1996 in Xuzhou gegründet. Dort werden bis heute Fahrmischer und Mischanlagen gefertigt. Insgesamt betreiben wir in China fünf Produktionsgesellschaften sowie drei Vertriebs- und Servicegesellschaften.

Ab 2000 war erstmals die Gründung von eigenständigen hundertprozentigen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen möglich. Die Firmengruppe gründete daraufhin die Vorgängergesellschaft der heutigen Liebherr (China) Co., Ltd., die für den Vertrieb und den Kundendienst von Liebherr in China verantwortlich ist. Aus anfänglicher Zurückhaltung entwickelte sich aus China im Laufe der Jahrzehnte ein ambitionierter und selbstbewusster Global Player. Mit industriepolitischen Strategien wie „Made in China 2025“ und „One Belt, One Road“ will das Land künftig seine wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherstellen. Wir blicken heute auf 40 Jahre erfolgreicher Präsenz in China zurück und werden uns auch in dieser neuen wirtschaftlichen Phase behaupten.

Chinas industriepolitische Strategien

Mit der Strategie „Made in China 2025“ will China sich als Industriemacht platzieren. Zu diesem Zweck identifizierte die Volksrepublik zehn strategische Schlüsselindustrien, unter anderem die folgenden: Energieeinsparung und Elektromobilität, Informations- und Kommunikationstechnologien der neuen Generation, High-end gesteuerte Werkzeugmaschinensysteme und Robotertechnologie, moderne Anlagen für den Schienenverkehr sowie Anlagen für Luft- und Raumfahrttechnik. Inspiriert wurde das Vorhaben von dem deutschen Konzept Industrie 4.0.

Die Initiative „One Belt, One Road“ umfasst verschiedene Projekte zum Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze zwischen China und weiteren Ländern in Afrika, Asien und Europa. Entwickelt werden sollen gemeinsame Strategien für den Handel sowie für die Verknüpfung und den Ausbau vorhandener Infrastruktur. Auch bekannt unter dem Namen „Neue Seidenstraße“ erinnert die Initiative an das Netzwerk historischer Handelswege, die China und Europa in Antike und Mittelalter miteinander verbanden.

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Wie beeinflussen solche industriepolitischen Strategien die Firmengruppe Liebherr?

Armin Natter: Die deutsche Industrie 4.0 war wesentlicher Ideengeber für die Strategie „Made in China 2025“. Damit möchte die Volksrepublik zur führenden Industrie-Supermacht werden. Bereits jetzt gehören chinesische Telekommunikationsanbieter zu den innovativsten der Welt. Die Firmengruppe Liebherr passt sich dieser Entwicklung bereits an. Schon heute bieten wir unseren Kunden in China ein breites Spektrum an Automationssystemen zur Aufgabenüberwachung, Prozessprotokollierung, Fertigungsanalyse oder Produktionsoptimierung.

Patrick Schulz: Die industriepolitische Strategie „One Belt, One Road“ umfasst den Aufbau eines neuen Handelsnetzes zwischen Asien, Afrika und Europa – eine Art neue Seidenstraße. China erhofft sich davon größere Unabhängigkeit von ausländischen Einflüssen. Das Vorhaben baut zunächst auf Infrastrukturprojekte im In- und Ausland.

Dies bietet uns die Möglichkeit, mit dem Bereich Baumaschinen an diesen Projekten zu partizipieren. Auch bei Investitionen, die im Rahmen der „One Belt, One Road“-Strategie außerhalb Chinas getätigt werden, werden die Entscheidungen dennoch weitestgehend in China getroffen. Unsere lokale Präsenz war und ist deshalb unabdingbar, um an diesen Projekten zu partizipieren und auch an weiteren Expansionen teilzuhaben.

Gleichzeitig bedeutet die Strategie „One Belt, One Road“ aber, dass uns chinesische Wettbewerber in Zukunft auch außerhalb Chinas begegnen. Für unsere Kunden wird unser globales Servicenetzwerk mit lokalem Personal und Ersatzteilen aber weiterhin einen entscheidenden Vorteil bieten.

Chinas Wachstum wird für die Firmengruppe Liebherr eine Chance und eine Herausforderung zugleich: Denn wir werden unsere Kunden nicht nur als vertrauensvoller Partner durch diese Wachstumsphase begleiten - wir müssen sie gleichzeitig auch mit wettbewerbsfähigen Technologien und Innovationen überzeugen.

Armin Natter

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Welche Erwartungen haben Sie an das laufende Geschäftsjahr 2021?

Armin Natter: Wir sind grundsätzlich sehr positiv gestimmt, was die weitere Entwicklung der einzelnen Produktsegmente in China betrifft. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert ein weltweites Wachstum von 5,5 Prozent. China liegt mit 8,1 Prozent Wachstum damit sogar über diesem Durchschnitt. Dieses Wachstum wird in erster Linie qualitativ sein und durch die Entwicklung neuer Technologien sowie moderner Trends wie Digitalisierung, Green Energy und Smart Manufacturing getrieben.

Das wird für die Firmengruppe Chance und Herausforderung zugleich: Denn wir werden unsere Kunden nicht nur als vertrauensvoller Partner durch diese Wachstumsphase begleiten - wir müssen sie gleichzeitig auch als Vorreiter für diese Trends mit wettbewerbsfähigen Technologien und Innovationen überzeugen.

Vielen Dank für das Gespräch und die interessanten Einblicke in den chinesischen Markt!

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