Durch Wasser und Staub – ein Logistik-Abenteuer

Von Ehingen über den Brennerpass nach Triest, mit dem Schiff nach Akaba in Jordanien und über die Hauptstadt Amman, durch die Wüste bis nach Bagdad – innerhalb von zweieinhalb Wochen traversierten im Jahr 1975 zwei Teleskopkrane Europa und den Orient zu einem Kunden im Irak. Der LT 1030 und ein LT 1045 wurden dabei von einem dreiköpfigen Überführungsteam samt VW-Bus-Servicewagen begleitet.

Zu dieser Überführung haben unsere Kollegen vom Firmengruppen-Archiv einen spannenden Reisebericht entdeckt. Verfasst wurde der Text von einem damaligen Mitarbeiter der durchführenden Speditionsgesellschaft aus Basel. Der Endkunde, der die beiden Krane kaufte und einsetzte, war ein irakisches Bauunternehmen in staatlicher Hand, das für Infrastrukturprojekte im Land verantwortlich war.

16. November 1975

An einem Sonntagabend im November besteigen unseremdrei Fahrer Luginbühl, Vecchio und Müller [einer BaslermSpeditionsgesellschaft, Anm. d. Red.] den Zug nach Ulm. Sie quartieren sich dort im nächstbesten Hotel ein und werden tags darauf von Herrn Metzger des LiebherrWerks in Ehingen abgeholt. Dort machen sie sich mit ihren Fahrzeugen vertraut und die letzten Vorbereitungen zur langen Fahrt können zusammen mit den Angestellten des Versandwerkes erledigt werden.

17. November

Am späten Nachmittag des 17. November 1975 erfolgt der Startschuss, ein von uns allen lang ersehnter Moment – die Krane und der VW-Bus rollen in Richtung Bagdad weg. Ein paar Stunden später wird München durchquert. Kurz nach dem Nachtessen treffen sie am Autobahnzollamt Kiefersfelden ein, wo der Zollagent bereits auf sie wartet. Nach der Überschreitung der Grenze zu Österreich können sich die Fahrer zum ersten Mal ausruhen. Sie übernachten und setzen ihre Fahrt am andern Morgen fort, um bis nach Innsbruck zu gelangen.

18. November

Dort erfolgt ein Motorenservice bei allen drei Fahrzeugen. Noch am gleichen Nachmittag, bei leichtem Schneetreiben, klettern wir auf den Brenner. Den Fahrern ist es bewusst, dass praktisch nur der Schnee sie aufhalten könnte, weshalb sie unter allen Umständen versuchen, diesen Pass zu überfahren, bevor er zugeschneit ist. Lediglich auf der Europabrücke liegt ein wenig Schneematsch, der Rest der Fahrstrecke jedoch ist nur unfreundlich nass und bietet keine schwerwiegenden Hindernisse. Auf dem Brenner drückt der italienische Zollbeamte nur noch seinen Stempel auf die Papiere und schon fahren wir hinunter und durchs Südtirol. Triest muss unbedingt am 19. im Laufe des Morgens erreicht werden, um nicht etwa die Abfahrt des Schiffes zu verpassen. Die Fahrer wissen aber noch nicht, dass sich die Abfahrt des Schiffes inzwischen um einen Tag später verschoben hat.

19. November

Das Ro-Ro-Schiff „Corriere Dell‘Est“ legt am Abend des gleichen Tages in Triest an und die Fahrzeuge können nach Erledigung der Zollformalitäten am 20. eingeschifft werden. Zu diesem Zweck öffnet das Schiff seine Achterseite, welche bis zum Pier hinuntergeklappt wird. Auf der so entstandenen Brücke fahren die Krane und der Servicewagen ins Innere der Fähre.

20. November

Tags darauf lässt der Kapitän die Anker lichten und bald schon entschwindet Triest im Dunst. Die Wetterprognose verheißt nicht gerade Angenehmes, was unseren Landratten nicht unbedingt Vertrauen einflößt, umso mehr als es sich nicht um ein riesiges Schiff handelt. In der Nähe der Insel Kreta bricht dann prompt der angesagte Sturm los, was nebst Übelkeit bei den Chauffeuren auch tiefe Stirnrunzeln beim Kapitän verursacht. Er entschließt sich, kurzum den Hafen von Iraklion anzulaufen, um das Ende des Unwetters abzuwarten. Bei der ersten Linderung fahren wir wieder los, jedoch nur einige Seemeilen weit ins Mittelmeer hinaus. Die Winde sind für den Geschmack des Kapitäns immer noch zu stark, sodass er ein zweites Mal den Hafen anläuft. Dieses Spiel wiederholt sich noch einmal und erst beim dritten Versuch wird Kurs auf Alexandria genommen. Diese Manöver bekamen offenbar unserem Walter Luginbühl nicht besonders. Doch zurückblickend lacht er nur über diesen Zwischenfall.

28. November

In Alexandria, das am 28. angelaufen wird, kann ein Teil der Ladung gelöscht werden und die Fahrer haben Gelegenheit, sich kurz an Land zu begeben. Besonderen Eindruck gemacht hat ihnen dort die große Aufdringlichkeit der Bevölkerung im Allgemeinen und der Kinder im Besonderen. Die Be- und Entladung von Ro-Ro-Schiffen nimmt nur sehr wenig Zeit in Anspruch, darum nimmt der Landaufenthalt in Alexandria ein schnelles Ende. Nach diesem Zwischenhalt geht es weiter direkt durch den Suez-Kanal nach Akaba. Der Suez-Kanal erlaubt nur die Durchfahrt in einer Richtung. Die Schiffe können sich lediglich im Großen Bittersee kreuzen.
Die „Corriere Dell‘Est“ fährt im Konvoi mit neun anderen Schiffen ab Port Said bis Suez. Zahlreiche Händler kommen mit ihren Souvenir-Artikeln und sonstigen Waren an Bord und bestürmen die Passagiere. Diese Händler pendeln täglich zwischen Port Said und Suez. Links und rechts des Suezkanales liegen ausgebrannte Panzerwracks und Bunker, welche von den erbitterten Kämpfen des letzten Nahost-Krieges zeugen.

30. November

Die Sinai-Halbinsel wird umrundet und am 30. November legt die „Corriere Dell‘Est“ in Akaba an. Nach dem Ausladen der Fracht beginnt das große Feilschen um die Zollabfertigung. Die Abfertigung kann natürlich keineswegs mit mitteleuropäischen Verhältnissen verglichen werden. Dazu kommt noch, dass die armen Zollbeamten und Zollagenten mit der Ankunft des Ro-Ro-Schiffes vor völlig neue Tatsachen gestellt werden. Dieses Schiff ist nämlich das erste seiner Art, welches in diesem jordanischen Hafen anlegt. Zudem spielt ja in Arabien, wie auch in anderen Teilen unseres Erdballs, die Zeit nicht gerade eine sehr wichtige Rolle. Es verstriechen also drei Tage bis die Fahrer wieder hinter das Steuer sitzen können.

2. Dezember

Das nächste Ziel ist Amman, die Hauptstadt des haschemitischen Königreiches. Die jordanischen Straßen bieten keine Probleme. Sie sind durchwegs in gutem Zustand und es herrscht nicht gerade ein reger Verkehr. Die Traversierung Ammans mit seinen verwinkelten Straßen gleicht einem Gang durchs Labyrinth am Jahrmarkt. Das Wetter macht jedoch gute Miene jetzt, die Sonne lässt die Krane Schatten werfen, jedoch erwärmt sie die Luft kaum mehr als zur gleichen Zeit bei uns. Nach Amman geht es schnurgerade weiter in Richtung Bagdad. Links und rechts der Straße liegt trostlose Wüste. Näher und näher rückt nun das Ende der langen Reise.

4. Dezember

Und schon sind wir in Bagdad, wo der Empfänger am 4. Dezember 1975 die Fahrzeuge entgegennehmen kann. Sie sind in fabrikneuem und unbeschädigtem Zustand bei ihm abgeliefert worden. Die Fahrer besteigen nun das nächstbeste Flugzeug, welches sie wieder zurück in die Schweiz bringt. In der Zwischenzeit haben wir den Auftrag für weitere fünf Krane via Akaba und einen kleinen Kran auf dem Landweg mit Tieflade-Camion nach Bagdad erhalten.

LT 1030 Autokran

  • Baujahr 1972
  • 4-Achser
  • 240 PS starker Fahrgestellmotor
  • 28 m langer Teleskopausleger
  • 34 m Hubhöhe
  • 30 t Tragkraft

LT 1045 Autokran

  • Baujahr 1973
  • 4-Achser
  • 313 PS starker Fahrgestellmotor
  • 35 m langer Teleskopausleger
  • 50 m Hubhöhe
  • 45 t Traglast

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2024.

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