Mobil- und Raupenkrane

6 Minuten | Magazin 02/2021

Sattelfest im Wind!

Die Liebherr-Ingenieure in Biberach, Ehingen und Nenzing haben eine große Zahl der neuen Mobil- und Raupenkrane fit und stabil gemacht für stürmische Tage. Wir durften uns daher über die Auszeichnung in der Kategorie Sicherheit für die Entwicklung spezieller „WindSpeed Load Charts“ der ESTA Awards of Excellence 2021 freuen.

ESTA Awards of Excellence 2021

Die Gewinner der ESTA Awards of Excellence 2021 wurden am 22. April im Rahmen einer Online-Zeremonie bekannt gegeben. Wir durften uns über die Auszeichnung in der Kategorie Sicherheit für die Entwicklung spezieller „WindSpeed Load Charts“ freuen. Diese bieten erhöhte Sicherheit und mehr Betriebszeit beim Kranbetrieb unter Windeinflüssen. Die Liebherr-Ingenieure in Biberach, Ehingen und Nenzing haben eine große Zahl der neuen Mobilund Raupenkrane fit und stabil gemacht für stürmische Tage.

Begonnen hat diese Entwicklung bei den Mobilbaukranen bereits im Jahr 2000 mit dem MK 80 und bei Raupenkranen 2008 mit dem LR 1600/2. Seit 2020 können auch neuere LTM-Modelle sowie alle Krane der MK-Baureihe mit diesem Angebot aufwarten. Zum großen Vorteil für unsere Kunden: Die Krane sind sicherer, Einsätze sind besser planbar und es gibt weniger Stillstand durch starke Winde. Das steigert zudem die Profitabilität.

Holger Schilke - Statiker

Falls beim Einsatz die am Kranausleger gemessene Windgeschwindigkeit die eingestellte Tabellenwindgeschwindigkeit übersteigt, kann der Kranführer einfach auf eine Traglasttabelle mit einer höheren zulässigen Windgeschwindigkeit umschalten und damit seine Kranarbeit oftmals weiterführen. Wie man bereits im Vorfeld Einsätze mit den neuen Traglasttabellen für höhere zulässige Windgeschwindigkeiten planen kann, erklärt Holger Schilke, Statiker bei Liebherr in Ehingen.

Ein Ausflug in die Praxis

Nachdem wir uns im Upload 01/2020 das theoretische Rüstzeug zu Traglasttabellen mit höheren zulässigen Windgeschwindigkeiten verschafft haben, wollen wir nun deren praktische Anwendung anhand zweier konkreter Beispiele zeigen und den Vorteil und praktischen Nutzen für Sie als Kunden darstellen.

Das ausgewählte Beispiel hat einen echten Bezug zur Praxis, denn genau diese Anfrage stellte ein Kunde an unsere Abteilung Statik. Wir betrachten einen Lastfall mit dem LTM 1750-9.1 (800t-Upgrade) in der Betriebsart TYV2EN:

  • Rüstzustand: T-49,1 (92/92/92) + A-19 + N-28
  • Abstützbasis: 12 m x 12 m
  • Gegengewicht: 134 t
  • Ausladung: 21 m
  • Last: 70,0 t
  • Windfläche inkl. cW-Wert: 68 m2

Mit welcher maximal zulässigen Windgeschwindigkeit kann nun dieser Hub durchgeführt werden?

Zunächst gilt es, das Verhältnis von Windfläche (inkl. cW-Wert) zu Last zu ermitteln: Aw/L = 68 m2 / 70,0 t = 0,97 m2/t

Vielleicht erinnern Sie sich: Die effektive Windangriffsfläche beträgt in der Traglastberechnung und wie von der Norm vorgeschrieben 1,2 m2/t. Da wir hier unter diesem Wert liegen, bedeutet dies für die weitere Betrachtung, dass wir uns hinsichtlich des Verhältnisses von Windfläche zu Last keine Gedanken mehr machen müssen.

Los geht’s!

Mit unseren WindSpeed Load Charts können Sie Einsätze besser planen und auch bei stärkerem Wind sicher arbeiten.

Holger Schilke - Statiker

Wäre die Traglast für die zulässige Windgeschwindigkeit von 13,4 m/s geringer als 70,0 t, könnten wir den Hub nur mit einer Windgeschwindigkeit von maximal 11,2 m/s durchführen.

Daraus folgt also: Ist das Verhältnis von Windfläche (inkl. cW-Wert) zu vorhandener Last geringer als 1,2 m2/t, kann mit den vorhandenen Traglasttabellen schnell und zuverlässig die maximal zulässige Windgeschwindigkeit ermittelt werden, ohne größeren Aufwand und Zeitverlust.

Aber was tun, wenn das Verhältnis von Windfläche zu Last größer wird als 1,2 m2/t? Man ahnt es schon, jetzt wird es ein wenig aufwendiger, aber dennoch nicht allzu kompliziert.

Wir bleiben bei unserem vorherigen Beispiel. Allerdings beträgt die Windfläche inkl. cW-Wert nun 110 m2 bei einer zu hebenden Last von 70.0 t. Das Verhältnis lautet nun Aw/L = 110 m2 / 70,0 t = 1,57 m2/t und liegt damit über dem Normwert für die Berechnung der Traglasten. Nun kommen die Windkraftdiagramme zum Einsatz, welche in jedem Traglasttabellenbuch zu finden sind.

Zunächst gilt auch jetzt, dass die Traglast der jeweiligen windabhängigen Traglasttabelle größer als die zu hebende Last sein muss. Nun muss in den in Frage kommenden Diagrammen (die Tabellenwindgeschwindigkeit und die Windgeschwindigkeit des Diagramms müssen übereinstimmen!) jeweils die Last und die zugehörige Windfläche eingetragen werden. Der Schnittpunkt beider Linien liefert die zulässige Windgeschwindigkeit. Fertig!

Hier erkennt man nochmals den praktischen Nutzen der zusätzlich angebotenen Traglasttabellen mit höheren zulässigen Windgeschwindigkeiten, denn es gelingt für diesen Lastfall, die zulässige Windgeschwindigkeit um fast 50 Prozent zu erhöhen – von 7,9 m/s auf 11,7 m/s.

Übrigens kommen Sie zum gleichen Ergebnis, wenn Sie die zulässige Windgeschwindigkeit mit dem Windgeschwindigkeitskalkulator im LICCON-Einsatzplaner berechnen – probieren Sie es einmal aus. Traglasttabellen mit höheren zulässigen Windgeschwindigkeiten – ein sicherer Hafen in stürmischen Zeiten. Viel Spaß und Erfolg bei der Anwendung!

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2021.

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