6 Minuten - Magazin 02 | 2023
Unter Hochspannung
Eine fast zehn Meter hohe Lagerhalle aus Betonfertigteilen zu bauen ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. Zu einem gewagten Unterfangen wird dieser Routine-Job jedoch, wenn das Vorhaben direkt unter den Strom führenden Kabeln mehrerer Hochspannungsleitungen mit einem Bodenabstand von weniger als 19 Metern durchgeführt werden muss.
Für Betonbaustellen gibt’s nichts Besseres.
LTR 1220 ermöglicht Hallenbau unter Stromleitung
In Norderstedt bei Hamburg hat das auf Industrie- und Gewerbebau spezialisierte Unternehmen BKM Bau Beteiligungs-GmbH KG (BKM) genau das gemeistert. 900 Betonfertigteile wurden bei BKM in Nienburg produziert und in einer Frist von nur neun Wochen angeliefert und verbaut. Der Hauptakteur unterm Strom war ein Liebherr-TeleskopRaupenkran LTR 1220.
„Um es ganz klar zu sagen: Dieses Bauprojekt nur wenige Meter unter der Hochspannungsleitung hätten wir ohne den LTR 1220 hier nicht realisieren können.“ Boris Cordes, Montageleiter bei BKM und zuständig für das Projekt, ist sichtlich zufrieden. Zufrieden mit dem raschen Baufortschritt. Und zufrieden mit seinem neuen Kran. Der Diplomingenieur freut sich, dass sein Plan aufgegangen ist. Diesen hatte er vor über einem Jahr geschmiedet und seinen Chef und Firmeninhaber Sebastian Tinzman davon überzeugt, anstelle eines vorgesehenen LTM 1230-5.1 doch besser den stärksten der Teleskop-Raupenkrane von Liebherr anzuschaffen. Bisher war man stets mit Mobilkranen ausgekommen und Cordes musste durchaus etwas Überzeugungsarbeit leisten. „Aber nun, nach Fertigstellung von fünf Bauvorhaben mit unserem LTR 1220, kann ich eine durchweg positive Bilanz ziehen“, bescheinigt Geschäftsführer Tinzman anerkennend.
Manöver mit sperriger Last - Das 36 Meter lange Bauteil wird hier unter den Stromleitungen zwischen den Kranen hindurchgefädelt. Die in der LICCON-Steuerung serienmäßig integrierte Arbeitsbereichsbegrenzung kann durch automatisches Abschalten der Arbeitsbewegung zu weites Aufwippen oder Austeleskopieren verhindern. Ein Mobilkran LTM 1130-5.1 des Schwerlast- und Kranlogistikers Ulferts & Wittrock packt mit an.
Nur sechs Meter nutzbare Höhe über dem Bauwerk
Zurück zur Baustelle und zu Boris Cordes. Kurz vor Fertigstellung der rund 11.000 Quadratmeter messenden Lagerhalle seines Kunden läuft auf dem Areal in Norderstedt alles nach Plan. Und was in der Branche relativ selten ist: auch nach Zeitplan. Die kniffligsten Stellen mit den am tiefsten hängenden Stromleitungen haben der Kran und die Männer seines Montagetrupps bereits gemeistert. „Die Rollenkopfhöhe für die Kranarbeiten war hier auf ein Maximum von 15,7 Metern begrenzt. Den erforderlichen Sicherheitsabstand zu den Leitungen mussten wir zwingend einhalten“, erzählt Cordes, „und hatten somit an manchen Stellen gerade mal sechs Meter nutzbare Höhe über dem Gebäude.“
Sitzt! - Bindermontage in zehn Metern Höhe: für den LTR 1220 eine eher leichte Übung. Ein Unterzug mit 60 Tonnen Gewicht war das bislang schwerste Element, das am Haken des Teleskop-Raupenkrans von BKM verfahren wurde.
Am schwierigsten, aber clever gelöst, war die Montage der mächtigen, 40 Tonnen schweren Binder. Zusammen mit einem Liebherr-Mobilkran hat der LTR 1220 die 36 Meter langen Beton-Elemente vom Schwertransporter gehoben. Aufgrund der Platzverhältnisse konnten die langen Deckenbinder jedoch nur im rechten Winkel zur Einbaurichtung angeliefert werden. Dem Teleskop-Raupenkran kam die Aufgabe zu, jeweils am weiter entfernten Ende anzupacken und nach Durchfädeln und Verschwenken der sperrigen Bauteile zwischen den beiden Maschinen mit seiner Last zum Einbauort unter die Hochspannungsleitung zu fahren. Die Träger dort auf ihre Pfeiler zu setzen war dann nur noch Routine.
„Da sämtliche Stützen der Halle bereits aufgestellt waren, war es schon ziemlich eng beim Handling der langen Fertigteile“, erklärt Matthias Bachmann. Er sitzt am Steuer des blau lackierten LTR 1220. Irgendwie scheint der gebürtige Prenzlauer und Kranprofi fast eins zu sein mit seinem Gerät. Auf seine neue Maschine lässt er nichts kommen. „Steuerung, Kamerasystem, Beweglichkeit, Präzision – alles wirklich super“, schwärmt er. Seit er vor acht Monaten die Tele-Raupe in Empfang genommen hat, gab es keinen einzigen Stillstand aufgrund von Schwierigkeiten an seinem Kran. „990 Betriebsstunden und keine Probleme, das ist schon enorm. Und auf jeden Fall gibt’s für Betonbaustellen nichts Besseres als einen Raupenkran mit Teleskopausleger.“
Matthias Bachmann - Kranfahrer BKM
„Mindestens 20 Prozent schneller“
„Das präzise und flexible Manövrieren auch unter Last ist natürlich der entscheidende Vorteil des Geräts“, weiß Montageleiter Cordes. „Einerseits kann der Kran spontan zu einem eintreffenden Schwertransport fahren, um ihn abzuladen. Zum anderen ist mein Kranpersonal durch das schnelle Lasthandling und unkomplizierte Verfahren auf der Baustelle viel weniger gestresst. Steht der Kran mal im Weg, fährt er einfach beiseite. Auch entfällt das zeitraubende Umsetzen zwischen zwei Standorten wie bei einem Mobilkran. Dadurch verkürzt sich wiederum die Wartezeit für unsere Monteure. Mit dem LTR sind wir viel schneller als bisher mit den Fahrzeugkranen. Mindestens um 20 Prozent“, schätzt er. In einem ist sich Boris Cordes aber ganz sicher: „Den LTR 1220 anzuschaffen war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Das Gerät ist einfach herausragend.“
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2023.