Mobil- und Raupenkrane

13 Minuten | Magazin 01/2021

Schwaben-Power für Helgoland

Diese Geschichte beginnt für Kranfahrer Jens Bodschwinna ein bisschen wehmütig, da er sich von seinem langjährigen Arbeitskollegen verabschieden muss.

Spritztour – Eine Kranreise mit Seegang

Sein 1992 in Dienst gestellter Liebherr-Kran vom Typ LTL 1050 der Außenstelle des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Tönning auf der deutschen Nordsee-Insel Helgoland wird demnächst ausgemustert. Nach 28 Jahren im Staatsdienst wird der metallene Veteran in den Ruhestand geschickt. Der langwierige Vorgang für die Beschaffung eines Nachfolgers mit mehreren Angeboten wurde schließlich mit einem Einkauf bei uns in Ehingen abgeschlossen. Die Wahl der Behörde fiel auf den Liebherr LRT 1090-2.1, die geländegängige Rough-Terrain- Version der Fahrzeugkrane aus unserer schwäbischen Kranfabrik. Im September haben wir den Neuen dann auf die Insel geliefert – just am Geburtstag von Jens Bodschwinna, seinem künftigen Fahrer.

Neue Dimension: Der rund 50 Prozent längere Teleskop-Ausleger erlaubt künftig auch Arbeiten am Leuchtturm der Insel. Auf dem Betriebshof parkt hier der neue LRT 1090-2.1 neben seinem Vorgänger, dem gelb lackierten LTL 1050, der fast dreißig Jahre auf dem Buckel hat.

„Wann bekommt man schon mal so ein Geburtstagsgeschenk“, strahlt der bärtige Helgoländer unter seiner Schildmütze. In seine große Freude allerdings mischt sich auch eine leise Trauer, wenn sein Blick auf den Vorgänger des Neuzugangs fällt. Der alte Liebherr-Kran, dessen Kürzel LTL für die heute etwas antiquiert anmutende Bezeichnung „Liebherr-Teleskop-Langsamläufer“ steht, war eben einfach schon da, als Bodschwinna vor 25 Jahren beim WSA auf Helgoland als Kranfahrer angeheuert hat. Heute fungiert er dort zusätzlich als Vorhandwerker sowie als Schlosser. Um eines gleich vorweg zu nehmen: Nicht etwa Altersschwäche oder Pannenanfälligkeit veranlassten das Amt zu dem Neukauf. Vielmehr gestaltet sich die Beschaffung von Ersatzteilen der Zulieferfirmen für die betagte Maschine zunehmend schwierig. „Bisher hatten wir aber noch nie Probleme mit dem Service von Liebherr“, betont Mark Redecker, zuständiger Techniker der WSA-Außenstelle auf der Nordsee-Insel.

Drei Jahre, nachdem das Prozedere für die Anschaffung eines neuen Mobilkrans Fahrt aufgenommen hatte, konnte der LRT 1090-2.1 im Herbst schließlich ausgeliefert werden. Per Schwertransport wurde der Geländekran von Ehingen aus huckepack einmal quer durch Deutschland bis nach Cuxhaven transportiert, wo das Landungsboot „HC Hagemann I“ schon im Hafen zur Übernahme der Last bereit lag. Nicht ganz so bereit allerdings zeigten sich Wind und Wetter am geplanten Tag der Überfahrt. Windstärken zwischen fünf und sechs Beaufort waren angekündigt. Bei über vier Beaufort ist für den als Seeschiff zugelassenen Lastkahn jedoch Schluss. Der entsprechende Wellengang wäre für das flach gebaute Transport- und Arbeitsfahrzeug schlichtweg zu gefährlich. Am nächsten Morgen hieß es dann aber „Leinen los!“, und vor Sonnenaufgang konnte das Schiff schließlich in See stechen. Endlich durfte unser Kran seine über 60 Kilometer lange Reise auf der Nordsee zu seiner neuen Arbeitsstelle antreten.

Jens Bodschwinna wird von Servicemonteur Florian Hagen mit den Feinheiten der Steuerung seines neuen Liebherr- Krans vertraut gemacht.

Suche nach Fliegerbomben wurde unterbrochen

Auch Florian Hagen, breitschultriger Servicemonteur von Liebherr aus Hamburg, hatte in aller Frühe in Cuxhaven auf dem Landungsboot eingecheckt. Er war bei Übergabe und Einweisung des fabrikneuen Geräts dabei. Als nach knapp vier Stunden Fahrt das Lastschiff und seine Fracht Deutschlands einzige Hochseeinsel erreicht hatten, war Hagens erster Job, den Geländekran von Bord zu fahren. Über die Bugrampe rollte er das Fahrzeug an einem kleinen Sandstrand im Südhafen der Insel an Land. Kran und Fahrer hatten wieder festen Boden unter sich.

Seine Geländegängigkeit durfte der LRT 1090-2.1 übrigens sofort unter Beweis stellen. Der erste Abschnitt des Weges zum WSA führte nämlich durch die aufgebrochene Fläche des Wellensturzbeckens, in dem ein Kampfmittelräumdienst seit Monaten nach mehrere Meter tief liegenden Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg sucht. Für die Zeit der Kran- Passage mussten die Bombensucher sämtliche Arbeiten auf dem Gelände vorübergehend einstellen. Keine halbe Stunde später parkte der strahlend weiße Kran dann schließlich wohlbehalten neben seinem etwas kleineren Vorgänger auf dem Betriebshof des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes.

Projekte, die ich mir früher nicht zugetraut hätte, kann ich nun präzise planen.

Jens Bodschwinna - WSA-Kranführer

„Neben der üblichen Einweisung in die Kranfunktionen legen wir aufgrund des Standorts hier auf Helgoland den Schwerpunkt auf die Fehlererkennung und auf die Möglichkeiten der Ferndiagnose“, erklärt Florian Hagen. Die Anreise auf die Hochseeinsel wäre für einen Servicetechniker immer mit erheblichem Aufwand verbunden. Daher ist es von großem Nutzen, wenn der Kranfahrer etwaige Störungen in Eigenregie oder mittels Ferndiagnose und der Unterstützung der Zentrale in Ehingen beheben kann.

Rolling Home: Mitten durch das Wellensturzbecken sucht sich der neue Geländekran der Helgoländer Außenstelle des Wasserstraßenund Schifffahrtsamtes seinen Weg. Die Suche nach Fliegerbomben musste dort für die Zeit der Durchfahrt eingestellt werden. Im Hintergrund hat das Arbeitsschiff „HC Hagemann I“ bereits wieder abgelegt. Der Lastkahn hatte den LRT 1090-2.1 zuvor von Cuxhaven nach Helgoland transportiert.

Längerer Ausleger ermöglicht künftig Arbeiten am Leuchtturm

Die Jobs, die auf den neuen Geländekran auf Helgoland warten, sind natürlich vorwiegend maritimer Natur, wenn auch nicht ausschließlich. So ermöglicht der 47 Meter lange Teleskopausleger, der in Punkto Länge den seines Vorgängers um gut 50 Prozent übertrifft, künftig auch Antennen- und Wartungsarbeiten am 35 Meter hohen Leuchtturm der Insel. Auch müssen mit dem Kran vor dem Winter zahlreiche Schiffe aus dem Wasser gehoben und im Frühjahr wieder eingesetzt werden.

Seine Hauptaufgabe jedoch wird darin bestehen, die sogenannten schwimmenden Seezeichen zu transportieren. „Auch unser schwerstes Seezeichen mit über elf Tonnen Gewicht muss am Kranhaken zu verfahren sein. Dafür brauchen wir einfach einen Kran in dieser Traglastklasse“, erklärt Bodschwinna. „Wir sind hier zuständig für die Sicherstellung der Seeschifffahrt rund um Helgoland.“ Insgesamt 56 solcher Signalzeichen besitzt die WSA-Außenstelle. Diese Wegweiser des Meeres, im Fachjargon „Tonnen“ genannt, müssen er und sein neuer Kran künftig zwischen Betriebshof und Mole hin und her befördern.

Expertenplausch: In der Werkstatt des Betriebshofs fachsimpeln WSA-Kranfahrer Jens Bodschwinna (rechts) und Florian Hagen, Service-Mitarbeiter von Liebherr.

Tonnen warnen die Schifffahrt auch vor Wracks

Nach etwa drei Jahren Einsatz im salzigen Nordseewasser werden diese schwimmenden Seezeichen ausgetauscht und zur Überholung nach Helgoland gebracht. Auf dem sogenannten Tonnenhof sowie in der Werkstatt des WSA werden die wuchtigen Schwimmkörper dann gereinigt, neu konserviert und wieder mit entsprechenden Leuchtaufsätzen ausgestattet. Restaurierte Tonnen transportiert der Kran dann zur 500 Meter entfernten Anlegestelle der Arbeitsschiffe und stellt sie dort für diese sogenannten Tonnenleger bereit. Die frisch lackierten maritimen Verkehrsschilder werden von den Schiffen meist selbst an Bord gehoben, um sie anschließend auf See zu positionieren, teilweise bis zu fünf Kilometer von der Insel entfernt. Dort markieren sie Fahrwasser oder warnen die Schifffahrt vor Wracks und Untiefen.

Nach den ersten Monaten mit seinem neuen Arbeitsgerät zieht Jens, der erfahrene Kranführer, heute ein durchweg positives Resümee: „Die moderne Technik dieses Krans katapultiert uns in technologischer Hinsicht in ein neues Zeitalter. Die vielen durch die LICCON-Steuerung zur Verfügung gestellten Daten und Parameter sind sehr hilfreich und erleichtern das Arbeiten mit der Maschine ungemein. Projekte, die ich mir früher nicht zugetraut hätte, kann ich nun präzise planen. Dadurch werden die Kranarbeiten natürlich auch wesentlich sicherer“, weiß Bodschwinna. „Schöne Technik“, lautet sein kurzes wie abschließendes Fazit. Dann besteigt er seinen fabrikneuen Liebherr-Kran und rollt ihn langsam aus der Garage. Der erste Arbeitstag auf Helgoland erwartet die beiden.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2021.

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