Mobil- und Raupenkrane

7 Minuten | Magazin 02/2018

Feldtest: Neueste Motoren- und Abgastechnik

In den vergangenen Monaten gab es kaum Nachrichten ohne die Schlagwörter „Feinstaubbelastung“ oder „Dieselfahrverbote“. Auch für Liebherr sind Umweltschutz und gesetzliche Vorgaben tägliche Herausforderung. Seit Mitte 2017 testet das Kranverleih-Unternehmen ESB aus Mittelbiberach einen LTM 1070-4.2 mit einem Motor der Abgasemissionsstufe 5. Wir sprechen mit Karl Engeser, Inhaber des Kranverleihs ESB, Karl Stöhr, Leiter Produktmanagement bei Liebherr und Daniel Rössner, Versuchsingenieur bei Liebherr, über Herausforderungen und Lösungen.

Karl Engeser, Karl Stöhr und Daniel Rössner

Aus welchem Grund arbeitet Liebherr aktuell an der Integration neuer Motoren in Mobil- und Raupenkrane?

Karl Stöhr: Es ist in erster Linie ein gesetzlicher Hintergrund. Die Europäische Union verfolgt das Ziel, die Motorenemission weiter zu reduzieren. Es geht vor allem darum, mit neuer Filtertechnologie zu verhindern, dass Partikel – umgangssprachlich redet man von Feinstaub – in die Umwelt abgegeben werden.

Die neue EU-Verordnung 2016/1628 tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft und betrifft alle Dieselmotoren, die in unseren Kranen eingebaut sind. In allen EU-Ländern sowie in Norwegen und der Schweiz wird jeder Motor ab dem Baujahr 2019 durch seinen Partikelfilter zum weiteren Schutz der Umwelt beitragen.

Was sind die besonderen Herausforderungen für Liebherr als Mobil- und Raupenkranhersteller?

Karl Stöhr: Die Umstellung unseres gesamten Kranprogrammes auf Motoren der Abgasemissionsstufe 5 ist an sich schon eine große Aufgabe. Über 30 Motoreinbauten mussten neu konstruiert werden. Aber es kommt hinzu, dass in die gleiche Grundmaschine nicht nur der neue EU-Motor mit Partikelfilter, sondern auch der Motor nach Stufe 4 (Tier 4) hauptsächlich für die USA und der Stufe 3a-Motor für niedrig regulierte Länder passen muss. Das ist sowohl für unsere Konstruktion als auch unsere Logistik eine Riesenherausforderung.

Eine wichtige Aufgabe ist auch die richtige und rechtzeitige Bereitstellung von Prototypengeräten mit der neuen Filtertechnologie und vor allem eine frühzeitige Erprobung durch unsere Versuchsabteilung.

Karl Engeser und Daniel Rössner

Wie sieht die technische Lösung für die Einhaltung der Grenzwerte nach Stufe 5 bei Liebherr-Motoren aus?

Daniel Rössner: Bei unseren Kranen setzen wir neben der bisherigen SCR-Technologie auf ein geschlossenes Partikelfiltersystem. Es filtert nahezu alle Rußpartikel aus dem Abgas. Sie werden es künftig an den sauberen Abgasendrohren – wie am Feldtestgerät LTM1070-4.2 – sehen.

Karl Engeser: Das kann ich nur bestätigen. Sie können mit der Hand in den Auspuff fassen – absolut sauber!

Daniel Rössner: Grundsätzlich ist die Einführung eines Partikelfilters in ein bestehendes Gerätekonzept aus technischer Sicht sehr anspruchsvoll. Der Einsatz unserer Dieselmotoren im Kranbetrieb ist nicht vergleichbar zu Applikationen wie sie beispielsweise im Fernverkehr-LKW anzutreffen sind. Zudem ist das Lastkollektiv der Aggregate – je nach Betriebsart – stark diversifiziert. So wird der Motor im Unterwagenbetrieb große Zeitanteile unter Volllast betrieben, im Oberwagen- betrieb sind hohe Lastanforderungen hingegen eher temporär.

Eine große Herausforderung ist die immer wieder erforderliche Regeneration des Partikelfilters. Unser System ist so ausgelegt, dass die Regeneration kontinuierlich im Fahrbetrieb stattfindet. Stillstandzeiten können so auf ein Minimum reduziert werden. Sollte es dennoch einmal dazu kommen, dass sich der Filter gefüllt hat, besteht natürlich die Möglichkeit, den Filter am Gerät aktiv ohne Ausbau zu regenerieren.

Das Bedienkonzept hierfür haben wir zusammen mit den Abteilungen Steuerung, Produktmanagement, Versuch und dem Liebherr-Motorenwerk in Bulle (Schweiz) möglichst kundenfreundlich umgesetzt, ohne den Fahrer mit Anzeigen zu überlasten.

Wie sind die Versuchsabläufe und welche Rolle spielen Feldtests?

Daniel Rössner: Prinzipiell durchläuft jeder Prototyp diverse Abnahmen im Unterwagen- und Oberwagenversuch. Die Maschinen werden hierbei standardisierten Prüfungen unterzogen. Dies ist auch notwendig, damit die Systeme vor einer Felderprobung bei Kunden einen entsprechenden Reifegrad erlangen. Erst wenn wir uns sicher sind, dass der Kunde mit der Maschine und dem neuen System keine Einschränkungen im Kranbetrieb zu erwarten hat, kann ein Feldtest gestartet werden.

Die Felderprobung ist somit nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung der Versuchsphase zu sehen. Für uns ist es enorm wichtig, neue Systeme, wie zum Beispiel den DieselPartikelfilter, im Realeinsatz beim Kunden zu beobachten. Neben der Optimierung der Komponenten lassen sich auch wichtige Erkenntnisse für Neuentwicklungen aus den Messungen ableiten.

Herr Engeser, seit April 2017 betreiben Sie den wohl saubersten Mobilkran der Welt. Was hat Sie bewogen, Liebherr bei der Felderprobung zu unterstützen?

Karl Engeser: Wenn man bedenkt, dass die neue Emissionsstufe 5 in Europa über alle anderen Grenzwerte hinausgeht, dann stimmt es wohl, dass wir seit 18 Monaten den weltweit saubersten Kran betreiben. Und es war tatsächlich der Umweltgedanke, der bei unserer Entscheidung die maßgebliche Rolle gespielt hat. Zudem bin ich immer an neuer Technik interessiert. Der Feldtest hat sich natürlich durch die Nähe zum Liebherr-Mobilkranwerk in Ehingen angeboten. Wir sind nur 30 km weit weg, die Wege sind kurz.

Karl Engeser

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem neuen Motor und seiner Abgasemissionstechnik gemacht?

Karl Engeser: Nur positive! Der Kran hat uns über die ganze Zeit hinweg nicht im Stich gelassen. Das Fahrzeug blieb immer in Betrieb. Die hohe Verfügbarkeit ist ein entscheidendes Kriterium. Das sind wir unseren Kunden schuldig. Kleinere Störungen haben wir direkt mit der Liebherr-Versuchsabteilung geklärt. An einen Ausfall kann ich mich erinnern, wo ich Herrn Rösner direkt angerufen habe. Das Problem wurde umgehend behoben. Auch hier hatte der Kran keine Stillstandzeit.

Daniel Rössner lacht: Ich hatte den Anruf erwartet. Das Tauschteil war schon bestellt. In den Aufzeichnungen der Messdaten hatte sich der Ausfall angekündigt. Über Telemetrie haben wir direkten Zugriff auf die Motordaten.

Karl Engeser: Meine Kranfahrer hatten anfangs schon Vorbehalte, denn keiner will sich natürlich beim Kunden durch technische Probleme blamieren. Aber das ist inzwischen überhaupt kein Thema mehr. Im Gegenteil, jeder will den neuen Kran fahren. Zudem, die Fahrer sind begeistert von der Motorleistung. Wir sehen durch die neue Abgastechnik keine Leistungseinbußen. Sowohl der Verbrauch von Kraftstoff als auch von AdBlue ist unverändert.

Daniel Rössner: Abgasstufe 5 wirkt sich nicht negativ auf den Verbrauch aus. Die bisherigen Erfahrungen im Praxistest sind auch für Liebherr sehr positiv. Inzwischen haben wir weitere Krane mit anderen Motortypen in Felderprobungen.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2018.

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