Mobil- und Raupenkrane

9 Minuten | Magazin 02/2022

Für alle Fälle gut gerüstet

Unsere Feuerwehrkrane heben, retten und bergen. Manche können sogar löschen.

In hohem Bogen

Viele wissen nicht, dass es ihn überhaupt gibt: den Feuerwehrkran von Liebherr. Mobilkrane also, die bei Berufsfeuerwehren Dienst tun. Zwischen akribisch aufgereihten Lösch- und Leiterfahrzeugen warten die meist rot lackierten Spezialkrane in den riesigen Garagen der Feuerwachen auf ihre Einsätze. Und die sind überaus vielgestaltig. Je nach Standort und den Gegebenheiten im Einsatzgebiet kommen unterschiedliche Aufgaben auf die Kranfahrzeuge zu. Folglich werden diese größten und schwersten Fahrzeuge der Feuerwehren in unserer Fertigung individuell und ganz nach Bedarf ausgestattet. Manche der mit Blaulicht und Signalhorn versehenen Krane sind sogar in der Lage, von der Spitze ihres Teleskopauslegers aus zu löschen.

Weiter Wurf - Am Heilbronner Science-Center „experimenta“ übt der Feuerwehrkran vom Typ LTM 1070-4.2 den Einsatz des Löschmonitors für den Ernstfall. Der Wasserwerfer an der Spitze des Teleskopauslegers in bis zu 50 Metern Höhe wird über eine Funkfernbedienung gesteuert.

Vorsicht Hochspannung! Stuttgart besitzt zwei nagelneue Feuerwehrkrane von Liebherr. Insgesamt 60 Kranmaschinisten sind dort für die Arbeit mit diesen Spezialfahrzeugen ausgebildet.

Die Berufsfeuerwehr in Kiel machte den Anfang. In dieser deutschen Ostseestadt wurde 1974 erstmals ein von Liebherr gefertigter Feuerwehrkran in Dienst gestellt. Nach Wien und Paris, Budapest, Barcelona oder Athen haben wir unsere leistungsstarken Feuerwehrkrane mittlerweile ausgeliefert. Um nur einige der größeren Städte zu nennen. Insgesamt haben wir seither 113 dieser Spezialfahrzeuge an Wehren in ganz Europa übergeben. Und sind mehr denn je kompetenter Ansprechpartner, wenn eine Berufsfeuerwehr sich für die Beschaffung eines eigenen Mobilkrans entscheidet.

Die Großstadt Heilbronn – wie unser Produktionsstandort Ehingen ebenfalls im Süden Deutschlands gelegen – hat vor vier Jahren entschieden, für ihre große Feuerwache einen neuen Mobilkran anzuschaffen. Das alte Kranfahrzeug, ein Liebherr LTM 1050-4, war nach dreißig Dienstjahren reif für die Ausmusterung. Nach einer europaweiten öffentlichen Ausschreibung bekam Liebherr den Zuschlag für die Fertigung des Spezialfahrzeugs. „Unser neuer LTM 1070-4.2 ist wirklich ein Quantensprung zum Vorgängermodell“, kommentiert Markus Widmann den modernen, mit vielen Extras bestückten Fahrzeugkran. Widmann leitet bei den Heilbronner Einsatzkräften die technische Abteilung und war aufgrund dessen direkt am Beschaffungsprozess für das neue Fahrzeug beteiligt. Er und seine Kollegen haben uns freundlicherweise erlaubt, bei einigen spannenden Übungen mit „unserem“ Feuerwehrkran im Heilbronner Einsatzgebiet dabei zu sein und den hauptberuflichen Floriansjüngern ein wenig über die Schultern zu schauen.

Aus der Spur - Die Stuttgarter Berufsfeuerwehr trainiert bei einer Übung mit ihrem neuen Kran die Bergung eines aus der Spur geratenen Triebwagens der Straßenbahn. Eigens für entgleiste Waggons wird ein Spezialgehänge vorgehalten, mit dem trotz der stromführenden Oberleitungen die Last angehängt werden kann.

Feuerwehrtechnische Highlights: Spezialkamera und Löschmonitor

Vollgepackt mit Sonderausrüstung ist eigentlich jeder Mobilkran, den wir für Feuerwehren anfertigen. Die Features hierbei reichen von den jeweils vorgeschriebenen akustischen und optischen Signalanlagen über wichtiges Zubehör wie Abschleppstangen bis zu einer an der Front mitgeführten Lasttraverse und einer starken Winde am Fahrzeugheck zum sicheren Bergen von verunfallten Fahrzeugen. Zwei Sonderwünsche haben wir den Feuerwehrmännern aus Heilbronn noch zusätzlich erfüllt: Am oberen Ende des Auslegers kann bei Bedarf eine leistungsstarke, hochauflösende Kamera mit großem Zoom und Wärmebildfunktion für eine drahtlose Bildübertragung installiert werden.

Spitzentechnik - Die Kranmaschinisten – Idiom für Kranfahrer bei der Feuerwehr – benötigen nur zehn Minuten, bis der Löschmonitor und die wasserführenden Schläuche fertig installiert sind. Im Ernstfall zählt schließlich jede Minute.

Markus Widmann: „Damit können wir bei Großbränden Luftbilder realisieren, die uns bei Lagebeurteilung und Schadensbekämpfung helfen. Ein solches Kamerasystem ist meines Wissens nach zuvor noch nie an einem Feuerwehrkran verbaut worden. Bei Liebherr musste eigens dafür eine spezielle Halterung konstruiert und gefertigt werden. Die Zusammenarbeit war hier wirklich sehr gut.“

Ein weiteres Highlight des Heilbronner Krans ist der sogenannte Löschmonitor. Diesen ferngesteuerten Wasserwerfer, mit dem aus großer Höhe die Löscharbeiten effizient unterstützt werden können, bekommen allerdings nur wenige Feuerwehrkrane verpasst. In der Regel sind die Gegebenheiten des Einsatzgebiets dafür ausschlaggebend. „Wir haben hier viele Industriebetriebe und auch einige Chemiefirmen“, beschreibt Feuerwehrmann und Kranmaschinist Steffen Haas die Situation vor Ort. „Durch den 50 Meter langen Teleskopausleger des Krans erreichen wir eine große Höhe und dadurch eine enorme Wurfweite. Und das bei wirklich beträchtlicher Wasserleistung.“ Stolze 4.000 Liter Löschwasser können pro Minute von einem Löschfahrzeug durch die Vorrichtung gepumpt und mit variablem Sprühbild ausgestoßen werden.

Kranfahrer heißen „Maschinisten“

Im Gegensatz zum Einsatz mit einer Drehleiter besteht für das Bedienpersonal keine Gefahr durch Rauch und eventuell giftige Gase, da der Löschmonitor über Funk auch aus sicherer Entfernung bedient werden kann. „Diese hohe Literleistung und die Fernsteuerung des Wasserwerfers haben für uns wirklich einen gewaltigen Nutzen.“

Die Installation des kompletten Löschsystems bei einer Übung oder im Ernstfall geht recht fix. Etwa zehn Minuten benötigen die geübten Einsatzkräfte dafür. Am Rollenkopf muss lediglich die mitgeführte Klappspitze angesetzt und dann der Wasserwerfer darauf montiert werden. Bis zu drei Schläuche, im Fachjargon „Rohre“ genannt, werden mit Hilfe von Schlaufen entlang des Kranmasts beim Austeleskopieren mit nach oben geführt. Damit bei einem Einsatz alles zügig und reibungslos abläuft, genießt die Schulung der Kranmaschinisten, wie die Kranfahrer bei den Feuerwehren in Deutschland bezeichnet werden, hohe Priorität. „Wir üben wöchentlich mit dem Kran. Zusätzlich werden mit anderen Wehren, die ebenfalls einen Feuerwehrkran besitzen, gemeinsame Übungen durchgeführt und Erfahrungen ausgetauscht“, erzählt Steffen Haas, der auch für die Ausbildung der Mannschaft zuständig ist. Etwa ein Viertel der gut einhundert Mann starken Heilbronner Berufswehr sind geschulte Kranmaschinisten und in der Lage, das neue Fahrzeug und seine Funktionen zu bedienen.

LTM 1070-4.2 in Genf - Auch in der Schweiz sind unsere Feuerwehrkrane im Einsatz. Das Bild zeigt das neue Einsatzfahrzeug der Berufsfeuerwehr Genf. Dieser mit schickem Design versehene Liebherr-Mobilkran hat vor kurzem einen LTM 1035-3 aus dem Jahr 1988 abgelöst.

Unterflurbergung - Zehn Personen fasst der große Rettungskorb, der zur Kranausrüstung der Berufsfeuerwehr in Heilbronn gehört. Bei einer Übung im Industriehafen der Stadt wird die Rettung von Personen aus dem Bauch eines Frachtschiffs unter Realbedingungen simuliert.

Hindernisse sind eigentlich immer da

Wenn der neue Feuerwehrkran LTM 1070-4.2 mit Blaulicht und schreiendem Martinshorn zum Einsatz ausrückt, eilt immer auch ein weiteres Fahrzeug hinterher, welches huckepack einen voll beladenen Container mit sich führt. Dieser Abrollbehälter wird stets in der Nähe des Krans abgesetzt und birgt Werkzeug, feuerwehrtechnisches Equipment sowie Spezialausrüstung für alle Einsatzbereiche. Von Schläuchen über Anschlagmittel bis hin zu einem großen, zehn Personen fassenden Korb zur Rettung von Verunglückten wird alles mitgeführt. Sogar ein dieselbetriebenes Notaggregat, falls die Kranelektronik mal versagen sollte, ist an Bord. „Wir hatten in den vier Jahren seit seiner Beschaffung nun doch schon einige Einsätze mit unserem neuen Kran“, berichtet Steffen Haas. „Bei Unfällen mit Lkw-Beteiligung rücken wir immer prophylaktisch aus.“ Doch auch Personenrettung mit Korb, Fahrzeugbergungen aus Gewässern oder der Einsatz der nützlichen Spezialkamera bei einem größeren Altstadtbrand stehen schon in der Einsatzbiografie des noch jungen Feuerwehrkrans.

„Der neue LTM 1070-4.2 bietet uns deutliche Vorteile gegenüber dem Vorgängermodell, das übrigens immer sehr zuverlässig war“, erzählt der erfahrene Feuerwehrmann. „Vor allem durch VarioBase®, das Programm für die flexible Kranabstützung, haben wir nun eine große Sicherheitsreserve und können die Abstützungen individuell und zügig setzen. Eine super Innovation, denn enge Stadtbebauung, parkende Fahrzeuge… Hindernisse sind eigentlich immer da.“

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2022.

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