Gamechanger Digitalisierung: vom Ego- zum Ökosystem
Die Transformation der Arbeits- und Lebenswelten schreitet voran. Digitalisierung ist dabei ein Megatrend, den Liebherr nutzt, um Innovationen zu schaffen. Und das über mehrere Produktsegmente hinweg. Im besonderen Fokus: maßgeschneiderte, nachhaltige Lösungen mit messbarem Mehrwert für Kunden. Zum Beispiel durch die Effizienzsteigerung von Prozessen oder die Schonung wertvoller Ressourcen.
Stephen Albrecht ist Geschäftsführer bei der Liebherr-International AG
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, hatte einst Aristoteles gesagt. In Zeiten der digitalen Transformation bekommt diese Erkenntnis eine ganz neue Dimension. „Im Mittelpunkt steht nicht mehr allein technologische Exzellenz von Geräten und Maschinen. Wir nehmen heute vielmehr für die Kunden und Anwender von Liebherr-Lösungen die gesamte Wertschöpfungskette in den Fokus. Es geht um konkrete, messbare Mehrwerte, die sich aus der Digitalisierung ergeben“, erklärt Stephen Albrecht, Geschäftsführer bei der Liebherr-International AG. Den Weg dorthin würden immer bessere Möglichkeiten der Datenerfassung und Datenanalyse bereiten. „Augmentierte Produkte, ihre digital erlebbaren und optimierbaren Anwendungsfälle lassen die Wertschöpfung in einem veränderten, deutlich helleren Licht erscheinen. Und sie können nicht zuletzt auch Beiträge zur Dekarbonisierung leisten.“
Marcel Flir leitet den Bereich Digital Business and Strategy bei der Firmengruppe Liebherr.
Technologie und messbaren Mehrwert für Kunden aus einer solchen ganzheitlichen Perspektive zu betrachten, liegt Marcel Flir im Blut. Der gelernte Verfahrens- und Umwelttechniker, der seinen Diplomingenieur im Wirtschaftsingenieurswesen gemacht hat, war über mehrere Jahre am Liebherr-Standort im österreichischen Nenzing für den Aufbau des digitalen Geschäfts verantwortlich und dort mit der Leitung des Produktmanagements für digitale Lösungen betraut. Mittlerweile leitet er den Bereich Digital Business and Strategy bei der Firmengruppe Liebherr. Hier liegt der Fokus auf Identifikation und Nutzbarmachung von Synergien der digitalen Lösungen von Liebherr, die sich über alle 13 Produktsegmente und sämtliche Bereiche der Customer Journey erstrecken. Dazu zählen beispielsweise Einsatzplanung, Wartungsmanagement, digitale Inventarverwaltung bis hin zu SmartHome-Integration und organisatorischen Fragestellungen.
Der Zeit immer ein Stück voraus
Digitalisierung ist für Liebherr kein neuer Trend, den es erst jetzt zu entdecken und innovativ zu bespielen gilt. Schon Mitte der 1990er-Jahre hatten Entwicklungsingenieure bei Liebherr daran gearbeitet, wie Maschinen- und Prozessdaten erfasst, aufgezeichnet und übertragen werden können, um daraus weitere Produktoptimierungen und Emissionsreduzierungen abzuleiten. „Damals war die Zeit noch nicht reif für ein userfreundliches Datenmanagement – mit 56k-Modems musste sich der Datenstrom erst noch mühsam den Weg durch digitale Nadelöhre bahnen“, so Marcel Flir. Gleichzeitig haben bei Liebherr-Geräten, die in alle Welt exportiert werden, Fernwartung und Remotezugriff auf deren Steuerung und Komponenten schnell an Bedeutung gewonnen und nach entsprechenden Lösungen verlangt.
Der Remote Service beinhaltet flächendeckende, digitale Services, welche bei Service- und Instandhaltungsfällen unterstützen.
Heute arbeiten bei Liebherr über alle Produktsegmente hinweg Spezialisten an digitalen Innovationen. Und an immer neuen Möglichkeiten, Maschinen, Kühlschränke oder auch Komponenten und die damit verbundenen Systeme zu vernetzen. „Wir haben mehrere hundert digitale Lösungen von API’s über IoT Lösungen bis hin zu Trainingssimulatoren im Feld – und es kommen natürlich weitere dazu“, sagt Stephen Albrecht. Dabei müsste die jeweilige digitale Basis von den Entwicklungsabteilungen der Liebherr-Produktsegmente nicht jedes Mal komplett neu erarbeitet werden. „Wir suchen und nutzen Synergien, wo immer sie sich sinnvoll nutzen lassen. Dazu greifen wir auf bewährte Standards und Systemschnittstellen zurück, wobei Datensicherheit, Data Governance und Cybersecurity im Allgemeinen eine zentrale Rolle spielen, ebenso wie die Nutzung etablierter Bausteine. In der Summe verkürzen wir entscheidend die Time-to-Market, wodurch wir unseren Kunden auch ISO 27001-zertifizierte digitale Lösungen und Services anbieten können“, erklärt Marcel Flir.
Gemeinsam zur besten Lösung
Digitalisierung sei dabei für Liebherr kein Selbstzweck, sie müsse verinnerlicht, akzeptiert und im Arbeitsalltag gelebt werden. „Wir müssen nicht die Ersten mit einer Lösung im Feld sein, sondern diskutieren intensiv mit unseren Mitarbeitenden, Stakeholdern, Kunden und Partnern, welche Chancen und welche Risiken mit Digitalisierung verbunden sind und wie wir gemeinsam die besten und nachhaltigsten Lösungen destillieren. Das ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung, bei der jede Stimme, die sich aktiv in den Lösungsprozess einbringt, gehört wird“, beschreibt Marcel Flir den Liebherr-Weg der Digitalisierung.
Das Zusammenwirken in der Technologie- und Digitalisierungsarbeit stellt sicher, dass Innovation auch weiterhin im Mittelpunkt des Handelns bei Liebherr steht. Marcel Flir und Stephan Schrade, Leader Digital Products and Services bei der Liebherr-Werk Ehingen GmbH, während einer gemeinsamen Tagung.
„Es kommt maßgeblich darauf an, wie wir selbst mit Daten umgehen“, sagt Stephen Albrecht. Im Mittelpunkt stehe dabei immer, „die Kunden in ihren Prozessen und in der Effizienz ihres Produkteinsatzes besser zu machen“. Dazu gehöre es beispielsweise, Wege zu bereiten, wie Partnerdaten in das digitale Ökosystem integriert werden oder wie mit den weltweit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenwerken im Kontext von Digitalisierung umzugehen ist. „Wünschenswert wäre es, dass Daten schon heute interoperabel wären und herstellerübergreifend genutzt werden könnten“, so Flir. Dazu bedürfe es eines entsprechenden Mindsets.
„Alleingänge sind von gestern. Kunden, Hersteller, Verbände und Lösungsanbieter sitzen in einem Boot, wenn es um Wertschöpfung und das Erreichen der heute geforderten Dekarbonisierungsziele geht. Wir bringen dazu einen echten Paradigmenwechsel ins Spiel: weg vom Egosystem, hin zum Ökosystem“, bringt es Marcel Flir auf den Punkt. „Damit zusammenwächst, was zusammengehört“.
MyLiebherr – ein Kundenportal für alle
Ein Beispiel für eine solche ganzheitliche Perspektive liefert das Kundenportal MyLiebherr. „Es ist das zentrale Eintrittstor in die digitale Welt von Liebherr“, sagt Marcel Flir. „Gestartet wurde MyLiebherr als Ersatzteilportal. In einem iterativen Prozess haben wir die Anwendungsfelder sukzessive immer weiter ausgebaut und so eine Anlaufstelle mit aktuell über 125.000 aktiven Usern und über 60.000 Kunden geschaffen.“ Hier kann man mittlerweile Online-Schulungen für Fachkräfte buchen, Lizenzen oder Ersatzteile kaufen. Auch Anwendungen für das Planen von Kranhüben, Site-Monitorings sowie integrierte Funktionalitäten für Maschinen- und Maintenance-informationen gehören dazu. Mit anderen Worten: MyLiebherr ermöglicht Nutzern den Zugang in die ganze digitale Welt von Liebherr mit nur wenigen Klicks.
Das Kundenportal MyLiebherr ist längst viel mehr als Ersatzteilportal. Es ist das zentrale Eintrittstor in die digitale Welt von Liebherr.
Das Kundenportal bietet dabei nicht nur umfassende Services, sondern ist zugleich auch ein Baustein, um Produkte und Dienstleistungen von Liebherr im Zuge einer End-to-End-Digitalisierung mit weiteren Funktionalitäten anzureichern. Stephen Albrecht erklärt: „Weil wir in der Technologieentwicklung das große Ganze – von der Idee, über die Herstellung, den Service bis hin zur Stilllegung und dem Recycling – auf dem Plan haben, ergeben sich für uns viele Möglichkeiten. Beispielsweise können die Daten, die ein Techniker an einem Standort bei der Aufarbeitung gebrauchter Komponenten erfasst, den Entwicklungsingenieuren an einem anderen Standort zur Verfügung gestellt werden. Mit Hilfe der Digitalisierung können wir so unsere Produkte bereits in der Entwicklung noch robuster und effizienter herstellen.“
Gebündelte Digital-Kompetenzen
Auf diesem Weg nimmt das Liebherr-Digital Development Center mit Sitz in Ulm (Deutschland) die Rolle eines Enablers ein. Seit 2020 wird hier auf Basis der Kundenbedürfnisse kontinuierlich Technologie- und Digitalisierungsarbeit geleistet. „Wir haben mit unserem Digital Development Center die Grundlage für digitale Lösungen geschaffen, die wir in unseren Produktsegmenten auf den Markt bringen. Als interner Servicepartner deckt es dabei die komplette digitale Kette ab, indem es umfangreiches Wissen in den Bereichen IoT, Cloud-Lösungen, Data Science sowie mobile Anwendungen einbringt und den Produktsegmenten zur Verfügung stellt. Das macht uns schneller in der Entwicklung und hilft uns Liebherr-weit bei der Standardisierung von digitalen Technologien“, erklärt Stephen Albrecht.
Im Profil: das Liebherr Digital Development Center
Das Liebherr Digital Development Center wurde im Jahr 2020 gegründet, um digitale Produkte auf Basis von Cloud- und IoT-Anbindung sowie Data&AI-Integration für alle Produktsegmente innerhalb der Firmengruppe Liebherr verfügbar zu machen. So werden digitale Lösungen für die Zukunft geschaffen, die wiederum die Effizienz, den Wert und den Kundenservice von Liebherr-Produkten steigern.
Im besonderen Fokus des Digital Development Centers stehen vor allem drei Kernziele:
1) Verbesserung der Geschwindigkeit und Effizienz der digitalen Entwicklung innerhalb der Firmengruppe
2) Unterstützung der Standardisierung digitaler Technologien innerhalb von Liebherr
3) Talente für die digitale Entwicklung gewinnen und binden.
Das Team
Im Science-Park in Ulm (Deutschland) arbeitet ein breit aufgestelltes Team von Software-Ingenieuren, Data Science- und Cybersecurity-Experten bis hin zu KI-Enthusiasten an der digitalen Entwicklung in der gesamten Unternehmensgruppe. Die ca. 85 Mitarbeitenden (Stand: März 2024) haben teilweise bis zu 25 Jahre Erfahrung und kommen aus diversen Branchen.
Die Methoden
Agiles Arbeiten, Fail-Fast-Approach, Rapid-Prototyping, datengetriebene Entscheidungen zur Verbesserung von Produktionsprozessen.
Kundenspezifische Lösungen im Fokus
Den Kunden als Partner in der digitalen Transformation zur Seite zu stehen und damit auch Perspektiven mit Blick auf nachhaltige Entwicklung zu schaffen, komme beispielsweise bei der Weiterentwicklung des Antriebsstranges zum Tragen.
„Bei der Elektrifizierung geht es uns nicht darum, das Leistungsvermögen eines Dieselaggregats 1:1 auf einen elektrischen Antrieb zu übertragen“, sagt Stephen Albrecht. Viel wichtiger sei, herauszufinden, wofür der Kunde seine Maschine im Arbeitsalltag tatsächlich einsetzt. „Indem wir in der Lage sind, reale Arbeitsdaten zu erfassen und von unseren Telematik-Einheiten zu übertragen, können wir heute die Batterie und den elektrischen Antriebsstrang optimal auf die Anforderungen der Kunden auslegen. Und dazu müssen eben nicht immer 100 Prozent der ursprünglich zu Grunde gelegten Leistungsparameter eines konventionellen Antriebs umgesetzt werden.“ Ein weiterer Vorteil: Über das Einbeziehen solcher anwender-spezifischen Daten tragen die Liebherr-Digitalexperten zusammen mit den Entwicklungsingenieuren auch dazu bei, die Einführung von CO2-optimierten Maschinen zu beschleunigen.
„Liebherr hat die Fähigkeiten, die Entschlossenheit und die Vision, Großes zu erreichen, weil wir die gesamte digitale Kette abbilden und dabei mit unseren Lösungen auf komplette Ökosysteme unserer Anwendungen zielen“, fügt Stephen Albrecht hinzu. „Wir sind in diesen transformativen Zeiten noch nicht am Ziel. Aber auf einem sehr, sehr guten Weg.“
Das Liebherr-Digital-Quiz
1. In welcher deutschen Stadt hat das Liebherr Digital Development Center seinen Sitz?
A) Ulm
B) Kirchdorf an der Iller
C) Stuttgart
2. Welches digitale Tool schafft die idealen Voraussetzungen für das exakte Positionieren und Ausführen von Liebherr-Bohr- und Rammgeräten?
A) LIPS
B) LIPOS
C) Liebherr-POSI
3. Machine Learning ist…
A) …eine neue Schulform, bei der Schülerinnen und Schüler ihr Mobiltelefon in den Unterricht nehmen dürfen.
B) …ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz mit Schwerpunkt auf dem Trainieren von Computern, um aus Daten und Erfahrungen zu lernen und sich stets zu verbessern, ohne dazu eigens programmieren zu müssen.
C) …eine Teildisziplin des sogenannten Bulimie-Lernens, bei dem Schüler in möglichst kurzer Zeit, möglichst viel Stoff pauken, um ihn dann möglichst schnell wieder zu vergessen.
4. Welches System hilft bei der Bedienung von Turmdrehkranen bzw. der Nutzung deren Assistenzsysteme?
A) Electronic Help System (EHS)
B) Electronic Assistant System (EAS)
C) Electronic Monitoring System (EMS)
5. Wie hieß die 1837 entworfene Rechenmaschine, die als Vorreiter des modernen universell programmierbaren Computers gilt?
A) Analytical Engine
B) Analytical Machine
C) Numerical Machine
Lösung: ɐ :5 ؛ɔ :4 ؛q :3 ؛q :2 ؛ɐ :1