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Jochen Faber

Zum Glück hat mich mein Weg vor über 40 Jahren zu Liebherr geführt. Ich wollte unbedingt raus in die Welt und bin dort auch angekommen.

Jochen Faber, Geschäftsführer, Operations, Liebherr Aerospace Saline, Inc., U.S.A.

Reiter hinterm Horizont

Man kann ja von Western halten, was man will. Teil ihres Erfolgs sind die Lebensweisheiten, wenn Kinolegenden wie John Wayne in die untergehende Sonne dem Horizont entgegenreiten. „Das Wichtigste in unserem Leben ist das Morgen. Um Mitternacht kommt der junge Tag, rein und unbefleckt, und begibt sich in unsere Hände, hoffend, dass wir vom Gestern gelernt haben.“ Für solche Sätze des größten aller Hollywood-Cowboys hat Jochen Faber eine Schwäche. Der 59-jährige Geschäftsführer, Operations, bei Liebherr-Aerospace in Saline im US-amerikanischen Bundestaat Michigan mag den Pioniergeist, den John Wayne verkörpert. Vielleicht auch deswegen, weil seine eigene Biographie durchgängig von Aufbrüchen und der Neugier geprägt ist, wie es wohl hinterm Horizont weitergeht.

„Zum Glück hat mich mein Weg vor über 40 Jahren zu Liebherr geführt. Ich wollte unbedingt raus in die Welt und bin dort auch angekommen“, stellt Jochen Faber rückblickend fest. 1983 hatte er bei Liebherr in Lindenberg (Deutschland) eine Ausbildung zum Mechaniker begonnen. Eigentlich wollte der begeisterte Radfahrer eine Lehre zum Zweirad-Mechaniker bei einem von ihm bewunderten ehemaligen Motorradweltmeister beginnen. Doch daraus wurde nichts. Also Lindenberg. „Als ich im Bewerbungsgespräch fragte, ob es auch die Möglichkeit gäbe, für Liebherr ins Ausland zu gehen, wurde ich verwundert angeschaut.“ Fabers Vater hatte viele Jahre als Maschinist auf einem Handelsschiff gearbeitet, „von ihm muss ich wohl das Fernweh-Gen geerbt haben“.

Nach der Ausbildung hörte er zufällig in der Kantine, dass zwei Jobs beim damaligen Liebherr-Partner in Toulouse (Frankreich) zu vergeben seien. Jochen Faber hatte Lust darauf. Und wie! Im Februar 1987 fuhr er mit einem Kollegen auf dem Motorrad nach Südfrankreich. Aus dem ursprünglich anvisierten Halbjahres-Engagement wurden zwei Jahre. „Eine tolle Erfahrung“, sagt Jochen Faber.

Als sich für ihn zurück in Deutschland die Frage stellte, ein Studium aufzunehmen oder für Liebherr nach Amerika zu gehen, war für ihn die Sache gleich klar. Nur die Bundeswehr hatte noch etwas dagegen. Obwohl Jochen Faber wegen seiner Farbenblindheit nur als bedingt tauglich eingestuft worden war, sollte er gerade jetzt seine Wehrpflicht ableisten. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als er auf ein für ihn hoch attraktives Angebot in Saline, unweit von Detroit im US-Bundesstaat Michigan, aufmerksam geworden war. Dort suchte Liebherr-Aerospace 1989 einen Mechaniker für Service und Flugzeugwartung, da Airbus in dieser Zeit mit der A320 nach Amerika kam.

Lange Briefe schrieb Jochen Faber damals, um das Kreiswehrersatzamt davon zu überzeugen, dass auch dieser Einsatz am Ende Deutschland dienen würde. Mit Erfolg. Dass daraus ein Lebenswerk wurde, ahnte er nicht, als mit einer Reisetasche und einem Motorradhelm unterm Arm seine Aufwartung in Saline machte.

Der Job war umfassend und hat sich über die Jahre von der technischen Seite, über Qualität, Kundenservice, Sales und Marketing zum Management geführt. „Die Änderungen haben mir immer Spaß gemacht und meinen Ehrgeiz geweckt. Mein Zweijahresvertrag ist heute 35 Jahre alt.“

Jochen Faber bei einem internen Strategiemeeting in der Cité de L'Espace (Frankreich) im Juni 2018 mit Kollegen aus China und Frankreich.

In diesen mehr als drei Jahrzehnten ist Liebherr-Aerospace in Saline von einem Ein-Mann-Betrieb auf 330 Mitarbeitende gewachsen. Er selbst sei in die Rolle des Geschäftsführers buchstäblich „reingewachsen“. „Nach Studienabschlüssen und weiteren Ausbildungen hat in dieser Zeit hier niemand gefragt. Es ging immer nur darum, die Arbeit optimal und zu größter Kundenzufriedenheit zu machen. Das gelingt am besten in einem starken, motivierten Team.“ Als Managing Director ist Jochen Faber direkt für 240 Mitarbeitende verantwortlich, die rund 25.000 Reparaturen pro Jahr durchführen.

Jochen Fabers erfahrungsbasierte Expertise und Führungskraft war und ist bei Liebherr auch über die USA hinaus gefragt. Zwischen 2008 und 2016 hatte er die Leitung der Industriellen Entwicklung der Reparaturzentren inne. Zu seinen Aufgaben zählte unter anderem, das Erfolgsmodell der Service- und Reparatur-Station aus Saline nach Asien zu übertragen und Standorte in Shanghai und Singapur mit aufzubauen. „Mein Vorteil war: Ich kannte beide Produkte, die Mechanik- und Klimatisierungssysteme aus Toulouse sowie die Hydraulik und Flugsteuerungen aus Lindenberg. So lernte ich über die Firma noch mehr von der Welt kennen.“

Aus eigener Erfahrung wundert es ihn nicht, dass Liebherr für viele Mitarbeitenden oft eine Lebensentscheidung ist. „Von den 15 Lehrlingen, die mit mir in Lindenberg die Ausbildung angefangen hatten, sind noch immer sieben im Unternehmen“, stellt er fest. In den USA sei eine solche enge Bindung ans Unternehmen eher ungewöhnlich. „Dass sich aber auch hier die Leute länger und enger mit der Firma zu verbinden beginnen, ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein echter Vorteil.“

Der erste Spatenstich für die Erweiterung der Phase 4 im Oktober 2004 bei Liebherr Aerospace Saline, Inc. (U.S.A.).

Dazu gehören für Jochen Faber immer auch Vorbilder: „Ich selbst habe für und mit drei Generationen der Familie Liebherr gearbeitet.“ Er erinnere sich noch, wie Hans Liebherr einmal in Lindenberg mit seinem Mercedes vorgefahren sei, um im Unternehmen vorbeizuschauen. Dass ihm dazu gewissermaßen der rote Teppich ausgerollt wurde und die Führungsspitze zum Empfang aufgereiht stand, sei spürbar gar nicht in seinem Sinne gewesen. „Er wollte einfach nur in den Alltag eintauchen. Bei ‚seinen‘ Leuten sein. Das fasziniert mich bis heute.“ Er erlebe diesen speziellen Liebherr-Spirit auch mit den nachfolgenden Generationen. „Führung geht bei Liebherr immer um die Sache, um das Unternehmen und den gemeinsamen Erfolg.“

Eine dazu vorteilhafte „Hands-on“-Mentalität ist ganz nach dem Geschmack des Machers. „Die Bastler und Schrauber finden bei uns in Saline seit vielen Jahren ein Zuhause. Wenn jemand mit Hornhaut an den Händen und Spuren von Schmierfett unter den Fingernägeln zu uns kommt, den schauen wir uns sicher näher an “, verrät Jochen Faber. „Wer zupacken kann und ein Händchen für mechanische Aufgaben hat, kann in der Regel später auch über Trainings- und Crosstrainings für weiterführende Aufgaben in unserem Unternehmen fit gemacht werden“, so seine Philosophie. Gleichzeitig will er mit Liebherr-Aerospace aber auch die Ausbildungsqualität in der US-Niederlassung nach dem Vorbild der dualen Ausbildung, wie sie in Deutschland etabliert ist, weiter heben. „Dazu befinden wir uns schon in intensiven Gesprächen mit dem Staat und den hiesigen Bildungsinstitutionen“, erklärt Faber.

Um die Zukunft sei dem 59-Jährigen deswegen auch überhaupt nicht bange. Im Gegenteil. „Wir haben bereits die nächste Flugzeuggeneration fest im Blick: Die wird ‚grüner‘, effizienter und komfortabler.“

Und so verspürt Jochen Faber auch nach vier Jahrzehnten keine Liebherr-Müdigkeit. „Die 45 Jahre mache ich auf jeden Fall noch voll. Dann sehen wir weiter.“ Wenn er irgendwann sein Lebenswerk übergeben hat und zum Finale wie John Wayne der untergehenden Sonne entgegenreitet, wird er allerdings wohl eher das Motorrad oder das Mountainbike nehmen. Und er wird vermutlich wieder nachsehen wollen, wie es hinterm Horizont weitergeht. Am liebsten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das ihm so sehr zur Heimat geworden ist.