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Paris: Alle Zeichen auf Groß
Rund um die Baustelle herrscht der tägliche Wahnsinn: drängelnde Motorräder, hupende Autos, der Eiffelturm im Smog. Philippe Schalbart kümmert das nicht. Er hat den Dauerstau auf dem Boulevard Périphérique, der überlasteten Stadtautobahn, gerade hinter sich gelassen. „Am liebsten würde ich mit der Bahn zur Arbeit fahren“, sagt der Ingenieur. „Aber ich wohne außerhalb von Paris. Und da ist die Schienenanbindung ganz schlecht.“
Das soll sich ändern, und Philippe Schalbart trägt dazu bei: Der derzeitige Arbeitsplatz des Technik-Direktors beim Bauunternehmen Eiffage ist eine Großbaustelle im Pariser Stadtviertel Batignolles, zwischen Triumphbogen und Montmartre. Baucontainer, Baufahrzeuge, Maschinen, Materialien – alles ist auf engstem Raum zusammengepfercht. Zwei Liebherr-Turmdrehkrane erheben sich rund um einen Schacht: ein 630 EC-H 40 Litronic und ein 280 EC-H 16 Litronic. Dieser führt tief unter die Erde, wo ein fast sechs Kilometer langer Tunnel entsteht. Hier wird die Pariser Métro-Linie 14 bis in die nördlichen Vororte verlängert.
Schalbarts Baustelle ist die erste Etappe zur Verwirklichung des „Grand Paris Express“. Die neue Métro der Superlative soll den Nahverkehr in Paris erleichtern und einen Verkehrskollaps verhindern. 68 neue Bahnhöfe sind als Knotenpunkte für Stadtentwicklungen und wirtschaftliches Wachstum konzipiert, weil Paris im Wettlauf der Weltstädte eine Spitzenposition erringen will.
Ein Untergrund wie Schweizer Käse
„Unser Tunnel setzt sich aus drei Teilen zusammen“, erklärt Schalbart. „Das erste Teilstück verbindet den Bahnhof Saint-Lazare mit dem Pont Cardinet, wo wir uns befinden. Unsere Turmdrehkrane haben da schon alle Betonteile für die Ausschalung in die Tiefe transportiert, der Tunnel ist fertig. Jetzt geht die Bohrung weiter stadtauswärts.“
Der Bau des „Grand Paris Express“ sei eine ganz besondere Herausforderung für die Tunnelexperten. „Paris wird zu Recht mit einem Schweizer Käse verglichen, weil der Untergrund überall durchlöchert ist“, so Schalbart.
In einer Tiefe von bis zu 35 Metern muss die gigantische Tunnelbohrmaschine eine bereits existierende S-Bahn, eine weitere Métro-Linie und einen Abwasserkanal unterqueren. Zwei bis vier Zentimeter pro Minute frisst sie sich voran. „Allein vom Pont Cardinet bis zur Porte de Clichy haben wir 84.000 Tonnen Schutt und Erde ausgehoben“, sagt Schalbart.
Das Jahrhundert-Bauvorhaben
Grand Paris kommt mit großen Schritten näher. Überall wird gebaut. Im Zentrum genauso wie an der Peripherie. An mindestens acht Standorten sind dabei Krane und Baumaschinen von Liebherr im Einsatz.
Einsatz 1
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Einsatz 3
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Einsatz 5
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Einsatz 7
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Einsatz 2
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Einsatz 4
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Einsatz 6
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Einsatz 8
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Schneller ans Ziel
Es ist auch höchste Zeit, dass Paris nun seine Grenzen sprengt. Denn noch ist die Stadt an der Seine die kleinste aller Weltstädte: Nur 2,2 Millionen Menschen leben „intra muros“, wie die Pariser sagen, auf einer Fläche von gerade einmal 105 Quadratkilometern. „Extra muros“, vor den Toren der Stadt, haben sich zwei- bis dreimal so viele Menschen angesiedelt. Seit den 1960er-Jahren schnürt eine ringförmige Stadtautobahn, der „Boulevard Périphérique“, die Hauptstadt ein. Mit über 21.000 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Paris im Stadtkern fast so dicht besiedelt wie Mumbai oder Shanghai. Kein Wunder also, dass sich die Menschen, wie Philippe Schalbart, hier jeden Tag mühsam durch chronisch verstopfte Straßen quälen müssen.
Es war der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der 2007 völlig überraschend das Projekt „Grand Paris“ lancierte. Es soll die Museumsstadt in die Spitzenriege der globalen Großstädte katapultieren. Lokomotive dieser großen Verwandlung ist der „Grand Paris Express“. Der Name steht für vier neue vollautomatische Regional-U-Bahnen und die Verlängerung von zwei existierenden Métro-Linien. Bis 2030 sollen die geplanten Linien das aktuelle öffentliche Verkehrsnetz von bisher 200 auf 400 Kilometer verdoppeln und die Vorstädte rund um Paris untereinander und mit der Hauptstadt verbinden.
Arbeitsplatz mit Aussicht
Auf der Pariser Métro-Baustelle steuert Thomas Brun den Turmdrehkran zielsicher über den Schacht. Aus der Kabine in 70 Metern Höhe ist der Rundum-Blick einzigartig: Eiffelturm, Triumphbogen, die Kathedrale Notre-Dame, vergoldete Kuppeln, der Montmartre-Hügel mit der Kirche Sacré-Cœur, die Seine … Der Kranfahrer aber schaut nur konzentriert auf den Boden unter sich. Am Haken seines 630 EC-H 40 Litronic bugsiert er drei Gewölbesteine millimetergenau über den Bodenschacht und senkt die 21-Tonnen-Betonlast hinab. Seine Kollegen laden die Bauteile dann für die Tunnelröhre auf einen Zug, der sie in den Bohrschacht rollt. Dort wird demnächst die Linie 14 fahren. Brun legt eine kurze Pause ein, lehnt sich zurück und zeigt in die unmittelbare Nachbarschaft. An „seine“ Baustelle grenzen andere Baustellen. „Ich kann zusehen, wie in diesem Viertel neue Gebäude in die Höhe wachsen“, sagt der 36-Jährige.
Ist doch toll, dass ich an der Modernisierung meines eigenen Viertels mitwirken kann.
Hub mit Zoom
Die innerstädtische Großbaustelle mit ihrem Spalier der Krane erfordert eine besondere Baustellenarchitektur: „Über den Kran zu meiner Rechten kann ich hinwegschwenken, weil ich so hoch bin“, sagt Brun. „Wäre mein Kran niedriger, dann käme ich einem Dritten in die Quere. Die Höhe meines Krans wurde ganz genau kalkuliert, unter Berücksichtigung aller Baustellen und Krane im Umkreis.“ Wenn Brun schwere Lasten transportiert, verlässt er sich nicht nur auf seine Augen. Bei 70 Metern Entfernung nimmt er lieber die Kameraüberwachung an seiner Seite zu Hilfe. Der Bildschirm erlaubt ihm eine optimale Sicht auf den Haken: „Ich zoome an die Last heran und kann sie dadurch noch präziser platzieren.“
Es ist Mittagszeit. Thomas Bruns Schicht geht zu Ende. Bevor er nach unten klettert, deutet er Richtung Norden. „Da, hinter dem neuen Justizpalast wohne ich“, sagt er lachend. „Ist doch toll, dass ich an der Modernisierung meines eigenen Viertels mitwirken kann.“ Später werde er das Auto immer öfter stehen lassen und dann garantiert mit der Linie 14 fahren, die seine Kollegen und er gerade verlängern.
Baustelle im Untergrund – Bahn frei für die neue Métro
Die größten Baustellen der Welt
Nicht nur Paris setzt auf den Superlativ. Rund um den Globus faszinieren Bauvorhaben mit atemberaubenden Ausmaßen. Sie sind Leuchttürme höchster Ingenieurskunst.
Saudi-Arabien: Vom Wolken- zum Himmelskratzer
Saudi-Arabien greift nach den Sternen. An der Westküste entsteht gerade der Jeddah Tower. Er soll mit 1.007 Metern den Burj Khalifa-Wolkenkratzer, das mit 828 Metern höchste Gebäude der Welt, in seinen Schatten stellen. Zum Vergleich: Der Eiffelturm, bis 1930 das größte Bauwerk der Welt, misst gerade einmal 324 Meter. Der Jeddah Tower soll Büros, Wohnflächen und ein Hotel beherbergen. Die Einweihung ist für Ende 2019 geplant.
China: Größter Flughafen der Welt
Die chinesische Luftfahrtbranche entwickelt sich zügig. 46 Kilometer südlich von Peking entsteht der Flughafen Peking-Daxing. Zunächst wird das Passagieraufkommen bei 45 Millionen Fluggästen pro Jahr liegen. Mit einer maximalen Kapazität von 100 bis 130 Millionen Fluggästen könnte er aber der größte Flughafen der Welt werden. Zum Vergleich: Der Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle ist mit rund 65,9 Millionen Passagieren im Jahr 2016 auf Platz 10.
Alles wird verwertet
Gut, dass heute Mittag der Verkehr stadtauswärts fließt. Drei Lkw aus Paris laden Schutt von den Grand-Paris-Baustellen in der Recyclingfirma Paprec ab. Ihr Werksgelände liegt an einem Hafenbecken der Seine, nordwestlich von Paris. Am Kai wird ein unbeladener Lastkahn vertäut. Abdesslam Mouadni hat schon auf das Schiff gewartet. Der Arbeiter sitzt in seinem LH 24 M Industry Litronic. Mit ihren zwölf Metern Reichweite schwenkt die mobile Umschlagmaschine rasch auf die riesige Schutthalde zu, greift mit dem Zweischalengreifer in den Berg und lädt das Schüttgut wenig später nach einem weiteren Schwenk in den wartenden Kahn. Mouadnis Kollege sorgt währenddessen mit einem Radlader L 546 für Nachschub und häuft weiteres Schüttgut auf der Halde auf.
Wendig in die Nachhaltigkeit
„Es ist viel los. Die Baustelle Grand Paris läuft auf Hochtouren und der ganze Schutt landet hier bei uns“, freut sich Mouadni. Da gibt es für ihn und seine Maschine jede Menge zu tun. Weil die Abraumhalden bei Paprec immer breiter und höher werden, schränken sie aber auch den Platz zum Manövrieren ein. „Da kommt die neue wendige Umschlagmaschine gerade recht“, sagt Mouadni.
Der Schutt kann kommen
Werksdirektor Maxime Antonini steht unterdessen an der Sortieranlage. Er beobachtet die Arbeit am Fließband, wo seine Leute Gips und Holz aus dem Bauschutt holen. „Unsere Firma hat die leistungsstärkste Sortieranlage in ganz Frankreich“, sagt der Ingenieur stolz. „Pro Jahr recyceln wir hier 200.000 Tonnen Müll, Bauschutt und Sperrmüll. Je nach Material können wir 60 bis 75 Prozent wieder aufbereiten.“ Einen Teil der recycelten Materialien verkauft Paprec danach als sogenannten Sekundärbaustoff.
Durch den „Grand Paris Express“ sollen sage und schreibe 43 Millionen Tonnen Schutt anfallen – das entspricht 33 Millionen Kubikmetern, genug, um damit eine ganze Talsperre aufzufüllen. Für Firmen wie Paprec, so Antonini, verheiße dies beste Wachstumsperspektiven für die nächsten 20 Jahre. Keine Frage: Grand Paris baut auf die Zukunft – und das bereits in jeder Phase dieser historischen Großbaustelle.