5 Minuten | Magazin 01/2020
Frauenpower in der Welt des Bauens
Der Bau war in der Vergangenheit vor allem eine Männerdomäne. Doch nicht nur die Herzen von Männern schlagen gerne höher, wenn sie eine beeindruckende Baumaschine oder einen gigantischen Schwertransport sehen.
Stevenson macht es vor
Heute spielen zunehmend auch Frauen eine wichtige Rolle in der Baubranche – von der Kranfahrerin bis zur Unternehmerin.
Ein leuchtendes Beispiel ist das amerikanische Kran- und Schwertransportunternehmen Stevenson Crane Service Inc. aus Illinois. Es ist nicht nur zu Hundertprozent in Frauenbesitz, sondern wird auch von Frauen geleitet. Donna Stevenson ist Präsidentin und Inhaberin des Unternehmens und seit vielen Jahren Liebherr-Kundin. Anlässlich dieses schicken LinkedIn-Eintrags haben wir uns mit ihr mal nicht nur über die nächste Lieferung, sondern auch über Mut, Motivation und Erfolg unterhalten.
"Not only are we woman-owned, but we are also women managed! A Salute to our women in Construction!"
Frau Stevenson, erzählen Sie uns etwas über die Geschichte Ihrer Firma. Wann und wie fing alles an?
Donna Stevenson: Wir begannen 1989 mit einem 35-Tonnen-Kran, der in unserer Einfahrt parkte. Zu dieser Zeit war mein Haus 60.000 Dollar wert und ich musste pro Monat 250 Dollar abzahlen. Unser erster Kran kostete 273.000 Dollar und die monatliche Rate belief sich auf 3.472 Dollar! Da wir nicht die Bonität für so eine Investition hatten, mussten wir unser Haus als Sicherheit hinterlegen und 12,5 Prozent Zinsen zahlen! Natürlich gab es da so einige schlaflose Nächte.
Zurzeit haben wir 1.100 Geräte und Maschinen, wobei das Herzstück unsere Liebherr-Krane sind. Inzwischen haben wir auch einen Bereich für Industriemontagen sowie ein eigenes Team für Engineering und Projektmanagement. Zudem betreiben wir eine Schwerlastsparte mit zahlreichen SPMT-Einheiten. Und ja, es gibt immer noch die ein oder andere schlaflose Nacht.
Wie viele Liebherr-Krane zählen zu Ihrem Fuhrpark?
Donna Stevenson: Inzwischen sind es 25 – vom LTC 1050-3.1 bis zum LTM 1500-8.1.
Welche Arten von Kranarbeiten übernehmen Sie und Ihr Team?
Donna Stevenson: Wir arbeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen: Stahlwerke, Petrochemie, Übertragungstechnik, Versorgungsunternehmen, Infrastruktur und das alltägliche Vermietgeschäft wie Heizungs- und Klimaanlagen, Transformatoren, Stahlbau, etc. Wir versuchen, unseren Markt vielfältig zu gestalten. Mit unseren Bereichen Industriemontage, Schwerlast, Engineering und Projektmanagement sind wir zu einem Generalunternehmen geworden.
Donna Stevenson, President and owner of Stevenson Crane Service Inc.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in Ihrem Unternehmen?
Donna Stevenson: In Büro und Vertrieb arbeiten 66, in Werkstatt und Lager 22 Mitarbeiter. Außerdem arbeiten bei uns noch 140 gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer der “International Union of Operating Engineers and International Association of Riggers, Machinery Movers & Machinery Erectors”.
Und wie hoch ist der Frauenanteil in Ihrem Unternehmen?
Donna Stevenson: Gegenwärtig haben wir 46 Beschäftigte in der Administration – 23 davon sind Frauen. Unsere Frauen haben hier maßgebliche Positionen wie Leiterin Rechnungswesen, Leiterin Industriemontagen, Personalchefin, Finanzdirektorin, Büroleiterinnen an mehreren Standorten, Leiterin Kundendienst und Ersatzteilwesen, Einkaufchefin, Projektleiterin, Disponentin... und mich als Präsidentin. Außerdem haben wir auch acht Kranfahrerinnen auf unserer Lohnliste.
Sind Frauen den männlichen Kollegen in manchen Dingen überlegen?
Donna Stevenson: Auf jeden Fall. Ich finde, dass Frauen ein gutes Auge für Details haben. Sie bemerken Kleinigkeiten, die sonst übersehen würden. Frauen scheinen auch sehr führungsstark, effizient und empathisch zu sein. Vielleicht sind Frauen deshalb so gute Geschäftsleute, weil sie schon früh verschiedene Rollen einnehmen müssen: Organisatorin, Ernährerin und Pflegerin.
Welchen Herausforderungen mussten Sie und Ihre Mitarbeiterinnen sich in der von Männern dominierten Kranbranche stellen?
Donna Stevenson: Als ich vor 31 Jahren meine Firma gründete, war es die allererste hundertprozentig in Frauenbesitz befindliche und von Frauen geführte Kranfirma. Während wir zu anfangs nicht von allen akzeptiert wurden, sind die Leute in unserer Gegend heute daran gewöhnt, mit Frauen am Bau zu arbeiten.
Wie haben Sie diese Einstellung verändern können?
Donna Stevenson: Wir investieren sehr viel in die Ausbildung. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind in allen Aspekten sehr gut ausgebildet und eingearbeitet – einschließlich Kranarbeit, Montage und Schwertransport. So haben wir uns einen sehr guten Ruf erarbeitet.
Haben Frauen dadurch Vorteile, dass Männer „Gentlemen“ sein möchten?
Donna Stevenson: Das spielt vor Ort keine Rolle. Die Kollegen sind echte Profis, die ihr Handwerk beherrschen, und sie erfüllen längst nicht mehr die alten Stereotypen von Bauarbeitern. Sie sind zuvorkommend und respektvoll – solange ihr Gegenüber in seinem Bereich ebenso kompetent ist.
Kurzweilig und angenehm – so war unser Gespräch mit Donna Stevenson in Illinois. Denn auch wir schätzen unsere Frauen in Technik, Qualitätssicherung, Vertrieb und Verwaltung. Besonders schön: Es werden immer mehr.
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2020.