Mobil- und Raupenkrane

7 Minuten | Magazin 02/2021

Von Altersschwäche keine Spur

Mit logistischem Aufwand und einem höchst ambitionierten Zeitplan hat das in Hamburg ansässige Kranunternehmen Thömen, nahe Flensburg, in nur knapp drei Tagen die Widerlager einer Eisenbahnbrücke aufgebaut und per TandemHub das neue Brückenbauwerk montiert.

Gut in Schuss: Thömens LG 1550 war das dritte Gerät dieses Kran-Typs, das unsere Manufaktur in Ehingen verlassen hat. Das war im Jahr 1992.

Ruhestand nicht in Sicht: Liebherr Gittermastkran LG 1550 seit 29 Jahren bei Thömen im Einsatz

Zum Einsatz kamen nicht nur moderne Liebherr-Krane, wie ein LTM 1750-9.1 oder ein fabrikneuer LTM 1110-5.1. Mit von der Partie war auch ein hochbetagter Gittermastkran vom Typ LG 1550, der seit knapp drei Jahrzehnten seine Dienste in dem hanseatischen Kranbetrieb verrichtet. Und das zur vollsten Zufriedenheit.

Unseren LG haben wir nun tatsächlich schon seit 29 Jahren“, berichtet Marc Bernschneider, Prokurist bei Thömen und Projektleiter für die Kranarbeiten auf der extrem geschäftig wirkenden Großbaustelle am Stadtrand von Flensburg. Bernschneider hatte im März mit einem Großaufgebot an Mann und Maschine über das Wochenende eine Bahnbrücke zu errichten. Der Zeitplan dafür war extrem eng gestrickt – entsprechend akkurat und aufwendig gestaltete sich im Vorfeld die Planung des anspruchsvollen Jobs. Neben den zwei Großkranen und zwei kleineren Liebherr-Mobilkranen für die Rüst- und Assistenzarbeiten waren über ein Dutzend Schwertransporter im permanenten Pendeleinsatz. Die Sondertransporte lieferten im schnellen Takt die teils gewaltigen Bauteile an.

Nigelnagelneu: Thömens jüngster Neuzugang, ein Liebherr LTM 1110-5.1, stand beim Rüsten und beim Lasthandling dem großen Mobilkran zur Seite.

Widerlager im Baukasten-Prinzip

Hauptgrund für den immensen Zeitdruck war die erforderliche Vollsperrung der vierspurigen Bundesstraße, über der die neue und 260 Tonnen schwere Trogbrücke platziert werden musste. Um den Aufbau der Widerlager in möglichst kurzer Zeit ausführen zu können, wurde auf eine Art Baukasten-Prinzip zurückgegriffen, bei dem die vorgefertigten Elemente neben- und aufeinander gestapelt werden konnten. Kaum waren die beiden Großkrane fertig gerüstet und zugbereit, rückten im Stundentakt die Schwertransporte mit den Komponenten für die Bauwerke an. Stets rollten zwei Tieflader zeitgleich auf die Baustelle, um sowohl den LTM 1750-9.1 als auch den LG 1550 mit jeweils einem Bauteil für „sein“ Widerlager zu versorgen. Die insgesamt 42 großen Stahlbeton-Segmente mit Stückgewichten von bis zu 92 Tonnen waren in den Wochen zuvor auf einem Montageplatz in etwa 25 Kilometer Entfernung gegossen und dort gelagert worden. Zum Aufrichten der Seitenteile für die Widerlager war die Unterstützung der kleinen Mobilkrane erforderlich.

Das Hauptgeschäft allerdings erledigten natürlich die zwei großen Kran-Kaliber. „Eigentlich hatten wir geplant, für diese Arbeiten unsere beiden LTM 1750-9.1 einzusetzen“, erläutert Marc Bernschneider. Aber einer der hubmächtigen Fahrzeugkrane war mit seinem Job im Windpark nicht rechtzeitig fertig geworden, und so wurde in Hamburg der älteste Vertreter des knapp 50 Krane starken Fuhrparks losgeschickt: Thömens mobiler Gittermastkran LG 1550. Baujahr 1992.

Fix und fertig: Bis zu 92 Tonnen schwer waren die Stahlbeton-Elemente, aus denen die Widerlager im Baukasten-Prinzip zusammengesetzt wurden. Hier am Haken des LTM 1750-9.1.

„Über 20.000 Betriebsstunden auf dem Buckel“

Das Kran- und Schwertransportunternehmen Thömen, bald 100-jähriger Hamburger Familienbetrieb in vierter Generation mit einer 150-köpfigen Belegschaft, beschaffte 1992 als einer der ersten Kranbetreiber ein Exemplar des LG 1550. Die beiden ersten Geräte dieses Typs wurden damals in den Iran geliefert. Thömens Kran war dann der dritte aus der Baureihe und zudem der erste, der mit Derrick-Ausleger ausgestattet worden war.

Der LG 1550 wurde Ende der 1980er-Jahre in Ehingen als Gittermast-Variante auf dem Unterwagen des damaligen LTM 1800 entwickelt. Bis zum Ende seiner Produktion im Jahr 2009 rollten etwa 50 Krane des LG 1550 aus den Werkshallen. Bis heute findet das Konzept eines leistungsstarken Gittermastkrans auf straßenfahrbarem Unterwagen im Nachfolger LG 1750 mit seinen 750 Tonnen Tragkraft begeisterte Anwender und treue Fans auf den Baustellen dieser Welt

Finale: Souverän setzen die beiden Großkrane die 260 Tonnen schwere Brückenkonstruktion auf die Widerlager, die sie in rekordverdächtig kurzer Zeit aufgebaut hatten.

Auch Marc Bernschneider hält große Stücke auf sein Gerät: „Der Oberwagen unseres LG hat mittlerweile über 20.000 Betriebsstunden auf dem Buckel.“ Bei Thömen ist man glücklich, stets auf diesen Allrounder zugreifen zu können. Der schwarzgelbe Oldtimer mit dem markant grünen Fahrerhaus ist in Windparks genauso anzutreffen wie bei Industrieeinsätzen und schweren Umschlagarbeiten in den Häfen Norddeutschlands. Oder eben bei Brückenmontagen wie dieser in Flensburg. „Für den Kran haben wir die komplette Gitterausrüstung in sämtlichen Längen inklusive Derrick-Ausleger. Dazu noch die schwere und die leichte Wippspitze“, erzählt Bernschneider. Die Frage, ob der inzwischen fast 30 Jahre alte LG 1550 noch stabil seinen Dienst tut, bejaht der Prokurist eindeutig.

Team-Work: Prokurist und Projektleiter Marc Bernschneider (rechts) mit Marc Kuebart, der die CAD-Projektplanung für den Job verantwortet hat.

„Für ihr Alter ist die Maschine schon sehr zuverlässig, aber wir müssen sie hier und da natürlich auch etwas fit halten. Am LG können wir noch vieles selbst reparieren und bei Bedarf greifen wir einfach auf den Service von Liebherr zurück.“

In Flensburg, bei diesem Brückenbau im Schnellverfahren, hat der LG 1550 jedenfalls mühelos eine gute Performance abgeliefert. Per Tandemhub hat er schließlich mit dem LTM 1750-9.1 zeitplangemäß die 44 Meter lange Eisenbahnbrücke auf ihre Widerlager gesetzt. Natürlich hat auch die rund 30-köpfige Thömen-Truppe – von den Planern bis zu den Fahrern – bei dem Job im nördlichsten Zipfel Deutschlands Beeindruckendes geleistet. Und den geforderten Zeitplan sogar noch deutlich unterschritten: Acht Stunden vor Aufhebung der Vollsperrung war der letzte Fahrzeugkran bereits auf dem Heimweg in Richtung Hamburg.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2021.

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