12 Minuten - Magazin 02 | 2024
Chapeau la France!
Die geisterhaften Chimären und mythischen Kreaturen, die als Wasserspeier auf den Türmen von Notre-Dame de Paris fungieren, sollen die Mächte des Bösen und des Teufels abwehren. Der Legende nach beschützen diese grotesken Figuren die Stadt und ihre Kathedrale auf der Seine-Insel, der Île de la Cité, im Herzen der französischen Metropole.
Fünf Jahre nach dem Brand – Liebherr-Mobilkrane beim Wiederaufbau von Notre-Dame
Beim Großbrand am 15. April 2019 waren die steinernen Wächter jedoch ganz offensichtlich machtlos. Das Feuer vernichtete grosse Teile des 800 Jahre alten Sakralbaus. Das gesamte Dach wurde zerstört, der darauf thronende Vierungsturm stürzte brennend in das Kirchenschiff und riss dabei tragende Steingewölbe mit in die Tiefe. Schon kurze Zeit später wurde der Wiederaufbau der Kirche mit aller Kraft in Angriff genommen. Und bereits Ende letzten Jahres vollendete dann ein Liebherr-Kran den filigranen Vierungsturm auf dem neuen Dachstuhl. Unsere Mobilkrane waren beim Wiederaufbau von Notre-Dame von Anfang an mit dabei.
In einem nationalen Kraftakt hat Frankreich mit dieser Auferstehung seiner geschichtsträchtigen Kathedrale in der Hauptstadt schier Unglaubliches geleistet. Entfesselt hat diese Kraft der französische Präsident Emmanuel Macron, der zwar nicht, wie die eingangs erwähnten Fabelwesen, mit mythischer, dafür aber mit reichlich weltlicher Macht ausgestattet ist. Er erklärte die Franzosenzu einem „Volk von Baumeistern“ und den Wiederaufbau zur Chefsache: „Cinq ans!“ Fünf Jahre! Das war die Losung, die Macron bereits am Tag nach dem Brand der Republik verkündete und in die Welt schickte. Dann sollte der gotische Bau auf der Île de la Cité, dieser kleinen Insel mitten in Paris, aus der Brandruine auferstanden sein.
Weit ragt der LTM 1120-4.1 über das Kirchen-schiff hinaus. Mit seiner 19 Meter langen, hydraulisch verstellbaren Doppelklappspitze am Teleskopausleger ist der Kran in der Lage, trotz der Positionierung an der Kirchenwand, seine Lasten auch auf große Entfernungen zu transportieren.
Ein kühnes Versprechen. Doch selbst die Pandemie konnte dem nationalstolzen Unterfangen nur kurz den präsidialen Schub rauben. Frankreichs absoluter Wille, das viel zitierte „Wunder der Wiedergeburt“ von Notre-Dame zu vollbringen, war unbändig. Und die generalstabsmäßige Planung dieses Wunders mehr als nur sprichwörtlich. Denn Macron schickte einen ehemals ranghöchsten General der französischen Armee als Sonderbeauftragten auf die Baustelle. Stararchitekten aus aller Welt lieferten Entwürfe für den Wiederaufbau. Materialexperten, Historiker und Koryphäen aus der Forschung sowie die besten Ingenieure des Landes ließen sich gerne rekrutieren. Die kundigsten Handwerker und versiertesten Kunsthandwerker der „Grande Nation“ wurden angeworben, die geradesten Eichen in französischen Wäldern gesucht, gefunden und gefällt. Ein Superlativ reiht sich hier an den anderen.
Das Licht des Vollmondes und die hell erleuchteten Gerüstflächen bescherten uns und auch der fotografierenden Radfahrerin am unteren Bildrand dieses stimmungsvolle Motiv. Imposant wirkt die 66 Meter lange Gitterspitze des LTM 1350-6.1.
Direkt an der Gebäudekante
Liebherr-Kran rettet Apostel
Da macht es uns, liebe Leserinnen und Leser, durchaus ein wenig stolz, dass bei diesem einzigartigen Projekt die eingesetzten Mobilkrane unser Logo tragen. Sie waren und sind bis mindestens Ende des Jahres wichtige Werkzeuge beim Wiederaufbau von Notre-Dame. Bereits im Dezember nach dem Brand rückten zwei Liebherr-Krane der französischen Firma Montagrues an, um den riesigen Baukran aufzubauen, der seither das Bild auf der Seine-Insel prägt. Und nur nebenbei: Ein Liebherr-Mobilbaukran unseres Partners Foselev hatte nur wenige Tage vor dem Brand die mächtigen Figuren der Apostel und Evangelisten zur geplanten Restaurierung vom Kirchendach geholt und dadurch letzten Endes gerettet.
Brandzeichen: Noch im Sommer 2023 hängen immer wieder Steinblöcke mit Spuren des Feuers in großen Netzen an den Kranhaken. Diesen behauenen Quader hat der rechts abgebildete LTM 1120-4.1 aus dem Inneren der Kathedrale geholt. Zwei dieser kompakten und wendigen Liebherr-Krane sind hier eingesetzt. Die variable Abstützbasis erlaubt den Aufbau der Fahrzeuge innerhalb des schmalen Streifens zwischen Gebäude und Bauzaun. Und durch den verstellbaren Ballastradius VarioBallast® ist ein Schwenken auch bei diesen Platzverhältnissen möglich.
Seit dem Frühjahr 2022 ist das Kran- und Transportunternehmen Dartus Levage für die Mobilkranarbeiten auf der Baustelle verantwortlich. Neben einigen kleineren Geräten recken zwei große LTM 1350-6.1 ihre gewaltigen Gittermaste in den Hauptstadthimmel. Über enorme Reichweiten von bis zu 80 Metern und bis in Höhen von 107 Metern versorgen sie die Arbeiter und Gerüstbauer mit Material. Meist hängen Holzbalken, Steinblöcke oder Maschinen an den Kranhaken. Aber auch steinerne Wasserspeier, Kreuzblumen und Statuen werden durch die Luft zurück an ihre angestammten Plätze befördert.
Viereinhalb Jahre nach dem Inferno ragt die Turmspitze von Notre-Dame wieder in den Himmel. Hier hebt ein LTM 1350-6.1 das letze Teil des originalgetreu rekonstruierten Vierungsturms in die Höhe. Einige Tage später folgen das Kreuz und der vergoldete Hahn, der nun wieder in fast hundert Metern Höhe über der Île de la Cité thront. In seinem Bauch trägt er Reliquien und eine Schriftrolle mit den Namen von rund 2.000 Personen, die am Wiederaufbau der Kathedrale beteiligt waren.
„La Flèche“ zu Weihnachten
Die größten Hubhöhen waren für den Aufbau des hölzernen Vierungsturms erforderlich, den sie hier ziemlich elegant „La Flèche“ nennen. Das französische Wort für Pfeil. Die filigrane Turmspitze reicht bis in stolze 96 Meter Höhe und überragt damit die beiden Steintürme des Kirchenbaus um ein Weites. Für die Montage seiner oberen Teile war der Mobilkran auf der Nordseite der Kathedrale mit einer 78 Meter langen, wippbaren Gitterspitze ausgerüstet worden. Als wenige Tage vor dem vergangenen Weihnachtsfest der Turm mit Goldhahn und Kreuz fertiggestellt wurde, feierten nicht nur die Frauen und Männer der Baustelle. Auch für Emmanuel Macron war die Vollendung der äußeren Form von Notre-Dame Anlass genug, aufs Gerüst zu steigen. Zum Fototermin hoch über den Dächern von Paris.
Unten, am Boden, gingen die Männer von Dartus derweil ihrer Arbeit nach. Einer von ihnen ist Christophe. Er wechselt sich mit seinem Kollegen Axel in der Kabine des LTM 1350-6.1 ab. Auf der Südseite zwischen Kirche und Fluss stehen sie jederzeit mit ihrem Kran für die Aufträge der Handwerker und bereit. Während einer kurzen Mittagspause laden wir Christophe und seine Kollegen in die benachbarte Rue dʼArcole ein. In einem hübschen Bistro dort bleibt uns allerdings nicht viel Zeit zum Plaudern. Bei einem kleinen Imbiss erklären uns die Männer, dass sie sich beim Verlassen des Geländes in einer Schleuse komplett umziehen und duschen müssen. Wegen der Bleibelastung hinter dem drei Meter hohen Bauzaun. Beim Betreten der Baustelle dann natürlich noch einmal. Das kostet Zeit. Nach einem letzten Espresso geht es wieder an die Arbeit.
Wiederaufbau: Blickt man vom berühmten Stadtteil Marais aus über die Seine in Richtung Süden, gehören die geschäftigen Liebherr-Krane mit ihren Lasten nun seit über zwei Jahren zur Silhouette der beiden mächtigen Steintürme von Notre-Dame. Sie blieben von der Brandkatastrophe weitgehend verschont.
„Die Enge ist eine große Herausforderung“
Zählt man die Kranfahrer und ihre „Chefs de manoeuvre“ zusammen, die am Boden für das Anschlagen der Lasten und das sichere Rangieren der Krane zuständig sind, sind an manchen Tagen bis zu 16 Mitarbeitende von Dartus Levage auf dem Gelände. „Das ist auch notwendig“, erklärt uns Firmenchef Victor Dartus, der zum Einbau der Turmspitze nach Paris gereist ist. „Wir müssen den Personalbedarf von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends in zwei Schichten abdecken. Immerhin haben wir über die gesamte Bauzeit hier insgsamt sieben Mobilkrane eingesetzt. Übrigens allesamt von Liebherr. Neben den beiden großen LTM 1350-6.1 auf beiden Seiten der Kathedrale, waren und sind die 4-achsig 120-Tonner unsere wichtigsten Maschinen hier. Sie sind für diese Baustelle deshalb so perfekt, weil sie sehr schnell umgesetzt und fast überall rund um das Bauwerk aufgestellt werden können. Die variablen Abstützungen und auch der verstellbare Ballast machen sie enorm flexibel.“
Victor Dartus: „Unsere Mission ist noch nicht ganz erfüllt.“
„Dennoch“, erzählt Dartus weiter, „sind die räumlichen Gegebenheiten hier für alle eine absolute Herausforderung. Das komplexe und gleichzeitige Zusammenwirken so vieler Beteiligter auf der engen Baustelle ist mit großen Einschränkungen für die Kranstellflächen verbunden. Es ist immer wieder mühsam, optimale Lösungen zu finden. Das Aufstellen der Krane oder das Ändern der Auslegerkonfiguration ohne Beeinträchtigung der Bauarbeiten ist meist sehr kompliziert. Aber als wir hier angefangen haben, war alles noch viel schwieriger, weil die Sicherheitsvorkehrungen wegen der Bleibelastung durch den Brand sehr hoch waren.
Zum Jahresende ist wohl Schluss
Noch bis mindestens November werden Liebherr-Krane von Dartus Levage rund um Notre-Dame zu sehen sein. Wenn die Arbeiten im Zeitplan bleiben – und danach sieht es im Moment aus – wird am 8. Dezember 2024 der erste öffentliche Gottesdienst in der Kathedrale gefeiert. Ob einer der Kranfahrer dabei sein wird? Wer weiß. Jedenfalls erfüllt es alle „mit Ehre und Stolz, am Wiederaufbau dieser symbolträchtigen und weltberühmten Kathedrale mitzuwirken.“
On y va – auf gehtʼs. Der Blick auf die Uhr ist obligatorisch bei unserem kleinen Fototermin mit den Kranführern Christophe (links) und Axel in einem charmanten Bistro nahe Notre-Dame. Der Job wartet.
Voraussichtlich Ende des Jahres also werden die Männer ihre letzten Krane abrüsten und die Heimreise in den Südwesten des Landes antreten, dem operativen Schwerpunkt des Unternehmens. Dann werden auch Christophe, Axel, Lyes oder Paul zum letzten Mal den Ausleger des LTM 1350-6.1 an diesem für sie unvergesslichen Arbeitsplatz einteleskopieren. „Unser Auftrag hier ist aber noch nicht ganz erfüllt“, sagt Victor Dartus. „Jetzt müssen wir uns voll auf unsere Arbeit konzentrieren. Ich glaube, wir können heute noch gar nicht ermessen, was es bedeutet, auf dieser historischen Jahrhundert-Baustelle zu arbeiten. Aber in einigen Jahren werden wir zufrieden auf unseren Anteil an diesem großen Werk zurückblicken können.“ Der Wiederauferstehung von Notre-Dame de Paris.
Die Baustelle der Restaurierung von Notre-Dame de Paris verfolgen:
- Website der öffentlichen Einrichtung: rebatirnotredamedeparis.fr
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- Auf Instagram: @rebatirnotredamedeparis
- Auf LinkedIn: Etablissement public Rebâtir Notre-Dame de Paris
- Auf Youtube: Wiederaufbau von Notre-Dame de Paris - YouTube
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2024.