10 Minuten - Magazin 01 | 2024
Frauenpower im Tagebau
Wasel gewinnt zwei Kranfahrerinnen
Das Bedienen schwerer Gelände- und Raupenkrane ist längst keine Männerdomäne mehr. Kranverleiher Wasel aus Bergheim bei Köln hat jetzt zwei weibliche Fachkräfte für das Cockpit von Teleskopkranen im Rheinischen Braunkohlerevier gewinnen können.
RWE Rheinbraun AG ist der größte Kohle-Verstromer in Deutschland. Aktuell betreibt der Konzern vier Kraftwerke im Rheinischen Revier. Gefördert wird bis 2030 aus den Tagebauen Garzweiler, Hambach und Inden. Spektakulär sind die gigantischen Schaufelradbagger und Absetzer als Herzstück der Braunkohleförderung. Aber ohne eine Armada von Hilfsgeräten arbeiten sie nicht. Teleskopkrane sind eine wichtige Stütze bei Wartung und Reparaturen. Liebherr-Kunde Wasel aus Bergheim bei Köln ist der Krandienstleister vor Ort und hat für die Bedienung modernster Teleskop-Krane erstmals zwei Frauen einstellen können. Das Tochterunternehmen der Hagedorn Gruppe ist überzeugt davon, dass es beim Bedienen von großen Maschinen vor allem auf Köpfchen und Fingerspitzengefühl im Umgang mit neuester Technik ankommt. Hagedorn hatte Ende 2020 die „Frau am Bau“-Kampagne ins Leben gerufen und gilt seither als Vorreiter in puncto Frauenförderung.
Ortstermin im 48 Quadratkilometer großen Tagebau Garzweiler, der bis 2030 jährlich bis zu 25 Millionen Tonnen Braunkohle liefert. Dort treffen wir Wasels Kranfahrerinnen. Angelina Heinen machte 2022 den Lkw-Führerschein und berichtet: „Nachdem ich das Bedienen von Traktoren und Lkw beherrschte, kam der Wunsch, mich beruflich zu verändern und bei Wasel Kran zu fahren. Und seit Oktober ist das genau mein Ding. Mit technischem Verständnis, guter Anleitung und Unterstützung am Anfang durch die Kollegen hat die Einarbeitung zügig geklappt. Mein Fazit: Ich bleibe dabei.“ Oft wurden in Pausen Details erklärt, Tipps gegeben oder Handgriffe und Tricks gezeigt. Aber es gehört mehr dazu. Und Rebecca Herkenrath führt aus: „Umfangreich sind die notwendigen Kenntnisse des viele Quadratkilometer großen Geländes, der tagebauspezifischen Sicherheitshinweise sowie Informationen über Fluchtwege und Sammelpunkte. Da kommt noch ordentlich was zur Krantechnik on Top. Aber der Job erfüllt mich – ich sitze gerne in der Kabine und habe von dort das Kommando.“
Rebecca Herkenraths Mann ist Kranfahrer bei Wasel und hat seine Frau mit dem Kranvirus dauerhaft „infiziert“. Ihr Fazit: „Die Liebherr-Technik ist gut beherrschbar“.
Die Beweggründe für den Einstieg bei Wasel waren bei Rebecca Herkenrath familiär bedingt: „Mein Mann arbeitet seit Jahren bei Wasel auf verschiedenen Kranen und als die Kinder flügge wurden, suchte ich nach einem Job.“ Bei Wasel war sie schon als Aushilfe tätig und nach den Berichten ihres Ehemannes bewarb sie sich um einen Sitz im Kran. „Ich habe den Job bekommen und ganz schnell Feuer gefangen.
Es macht mir Spaß, verantwortungsvoll mit diesen starken Maschinen umzugehen und Aufträge zu erledigen.“ Etwas zäh seien die „Totzeiten“, wie sie erklärt: „Da sitze ich in der LRT-Kabine, Last ist angeschlagen und über Stunden tut sich wenig, weil ich beispielsweise eine Winde mit dem Kran in Montageposition halte. Es dauert, bis das Teil sitzt und währenddessen überwache ich alles aus der Kabine.“
Angelina Heinen ist vom LKW auf Gelände- und Raupenkrane umgestiegen und bereut dies keine Sekunde. „Die Kollegen sind spitze und geizen nicht mit Tipps.“
Apropos Lernen, Angelina Heinen berichtet: „Das haben wir ganz in Ruhe quasi auf dem Trockenen geübt. Last anschlagen, heben, mit Last verfahren – der Kran reagiert ja völlig anders als ein Pkw. Aber es macht Spaß und ich bin mächtig stolz, wenn ich abends vom Kran absteige, ohne den die riesigen Tagebau-Bagger nicht funktionieren.“
Und die männlichen Kollegen? „Alles gut“, ergänzt Angelina Heinen. „Wir sind super aufgenommen worden. Auch unsere Anweisungen werden von Fremdfirmen und unseren Schwertransportfahrern angenommen – als Frau ist man da sicher etwas diplomatischer im Umgang. Und vom Wasel-Team gibtʼs volle Unterstützung.“
Christopher Neuhaus ist bei Wasel als Abteilungsleiter für die rund elf Krane umfassende Liebherr-Flotte bei RWE verantwortlich. Im Einsatz sind LTM-, LTL-, LRT- und LTR-Krane. „Als Rebecca und Angelina auf mich zukamen und Kran fahren wollten, haben wir sofort ja gesagt. Denn technisches Verständnis haben sie und allein darauf kommt es bei der Bedienung unserer modernen Liebherr-Flotte an. Zudem haben wir in Ehingen den perfekten Support und nutzen für unsere Kolleginnen und Kollegen gerne die dortigen Trainingsangebote.“
Übereinstimmung herrscht bei den beiden neuen Wasel-Mitarbeiterinnen, dass sich der Teleskop-Raupenkran mit Last leichter positionieren lässt: „Denn wir können ja mit Last verfahren, was die Arbeit gerade an den Tagebau-Großgeräten extrem erleichtert.“ Besonders stolz sind sie beiden, auch den neuen LRT-Geländekran fahren zu können: „Denn das ist ja wirklich ein in Deutschland seltener und ganz besonderer Kran“.
Der Dienst ist abwechslungsreich, Montagearbeiten an Tagebau-Großgeräten, Material-Verladungen und viele weitere Einsätze halten die weißblauen Wasel-Athleten auf Trab. Rebecca Herkenrath erzählt: „Ich mache den Job wirklich gerne – selbst wenn man manchmal nachts bei anspruchsvollen Wetterbedingungen stundenlang konzentriert auf die schwebende Last achten muss – etwa bei Reparaturen an den Großgeräten oder an Bandübergabestationen.“ Christopher Neuhaus ergänzt: „Wir suchen dringend Personal, umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt zwei neue Kolleginnen an Bord haben, die sich gerne in die modernen Ehinger-Cockpits setzen. Die Bedienung ist super ergonomisch und dank Trainings und Fernunterweisung von Liebherr werden alle neuen Teammitglieder bestens vorbereitet – eine Schulung im Liebherr-Werk Ehingen ist schon ausgemachte Sache.“
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2024.