Mobil- und Raupenkrane

8 Minuten - Magazin 01 | 2023

Final Touchdown

Im Luftraum über dem Kasernengelände im süddeutschen Altenstadt ist oft ziemlich viel Bewegung. Schließlich ist dieser Standort der Bundeswehr etwa 60 Kilometer vor den Toren Münchens ein Ausbildungszentrum für Fallschirmspringer, Luftumschlagpersonal und Lufttransporteure.

Fliegende Legende - Sage und schreibe über ein halbes Jahrhundert lang waren die Transportflugzeuge vom Typ Transall C-160 für die Luftwaffe weltweit im militärischen oder humanitären Einsatz.

Die Spitze muss spitze sein

Beheimatet ist dort die Luftlande- und Lufttransportschule, die über einen eigenen Heeresflugplatz verfügt. In der Regel eher kleine Maschinen tragen hier die angehenden Fallschirmjäger für den Sprung in die Tiefe nach oben. Größere Luftfahrzeuge sind meist nur aus der Ferne im Rahmen von Absetzkampagnen zu sehen. Vor kurzem jedoch schwebte ein großes Transportflugzeug vom Typ Transall C-160 tatsächlich direkt über den Köpfen der Soldatinnen und Soldaten. Und zwar am Haken eines modernen Liebherr-Krans. Die kleine Kaserne hat einen dieser legendären Lastenflieger als Ausstellungsstück überlassen bekommen.

Seit über 17 Jahren schon sitzt Günther Ulrich in Führerkabinen von Fahrzeugkranen. Seit seinem ersten Kranjob – damals übrigens auf einem zu Beginn der 1990er-Jahre gefertigten LTM 1025 – hatte der gebürtige Niederbayer schon etliche außergewöhnliche Hübe oder schwere Lasten zu meistern. Und manch kuriose Last am Haken. „Die Transall war aber schon ein absolutes Highlight“, schwärmt Ulrich vom zurückliegenden Einsatz mit seinem Liebherr-Gerät. Zusammen mit vier Kollegen hat er im vergangenen Sommer für das Unternehmen Kran Saller GmbH aus Deggendorf diesen spannenden Auftrag für die Bundeswehr ausgeführt. In zwei überaus kniffligen Hüben wurde die 55 Jahre alte Militärmaschine vom Flugplatz auf das Kasernenareal und damit in den Ruhestand gehoben.

Keine leichte Aufgabe für die Experten: Schwierige Platzverhältnisse erwarteten das kleine Team, als es mit seinem Liebherr-Mobilkran LTM 1450-8.1 am Vortag der eigentlichen Kranarbeiten in die Kaserne eingerückt war. Zwei Schwertransporte hatte der 8-achsige Fahrzeugkran im Schlepp. Vollgepackt mit Rüstequipment. Darunter auch der für den Kran maximal mögliche Ballast mit einem Gesamtgewicht von 134 Tonnen. Hohe Bäume und ein angrenzendes Gebäude schränkten die Möglichkeiten zum Kranaufbau für den ersten Hub der Transall aus dem umzäunten Flugfeld drastisch ein. Dennoch: Der einzig mögliche Platz war nach kurzer Zeit ausgemacht. „Intuition“, erklärte Günther Ulrich mit einem Schmunzeln auf den Lippen und gab seinen Jungs den Startschuss. Das Rüsten des Krans konnte beginnen.

Höchste Konzentration - Souverän und mit ruhiger Hand steuert Günther Ulrich seinen Kran mit dem angehängten Militärflugzeug. Die Vogelperspektive zeigt deutlich, unter welch eingeschränkten räumlichen Bedingungen die Zwischenlandung der Transall zu bewerkstelligen war. Mit seinem mächtigen Arbeitsgerät ist der 55-Jährige überaus zufrieden. „Der LTM 1450-8.1 ist in manchen Situationen sogar deutlich stärker als der 500-Tonner“, erklärt er.

Sechs Monate Planungsphase

Währenddessen wartete die tarnfarbene Frachtmaschine am Rand des kleinen Airports geduldig auf ihren Einzug ins neue Quartier. Im November 2021 beendete diese Transall C-160 mit rund 12.000 Flugstunden auf dem Buckel ihre letzte Mission und setzte zur finalen Landung auf dem bayerischen Heeresflugplatz in Altenstadt auf. Als Ausstellungsstück in der Franz-Josef-Strauß-Kaserne wird die Transportmaschine künftig gemächlich Dienst tun. „Sechs Monate lang haben wir auf diesen Tag hingearbeitet“, erklärte Hauptmann Michael Goßler, während nebenan der Mobilkran gerüstet wurde. Konzeption, Planung, europaweite Ausschreibung der Kranarbeiten. Viel Papierkram. Doch nun: Mission accomplished, sozusagen. Fast jedenfalls. Am nächsten Morgen sollte es dann endlich richtig losgehen mit der letzten Phase, dem Einzug der Transall in die Kaserne.

Ende 2021 haben die deutschen Streitkräfte die letzten Exemplare von ursprünglich 110 Stück des Transportflugzeugs außer Dienst gestellt. Vornehmlich als CargoFlieger, der auf nahezu jeder provisorisch angelegten Piste, sogar auf Wiese oder Strand, landen konnte, kam die in den 1960er-Jahren entwickelte und bis 1985 produzierte Transall mit äußerst kurzen Start- und Landebahnen von etwas über 700 Metern Länge aus. Nicht nur für den militärischen Truppen- und Materialtransport war dieser fliegende Lastesel genutzt worden. Politiker stiegen in den Militärflieger, wenn sie in Kriegsgebiete reisen mussten. Oft füllten auch Hilfsgüter den Laderaum. Bei humanitären Einsätzen wie bei der Hungersnot in Äthiopien vor fast 40 Jahren war der Lastenflieger von herausragender Bedeutung, denn die Transall konnte während des Fluges ihre Laderampe am Heck öffnen und ihre Ladung aus nur wenigen Metern Höhe abwerfen. Die Maschine aus deutsch-französischer Fertigung hat sich in ihrer über 50-jährigen Verwendungszeit den Ruf als nahezu unverwüstliches Arbeitstier erworben. Die Luftstreitkräfte Frankreichs und der Türkei nutzen diesen Flugzeugtyp übrigens bis heute.

Präzision gefragt - Beim Einfädeln der Fahrwerke in eigens angefertigte Metallgestelle muss der historische Militärtransporter millimetergenau manövriert werden.

Aber zurück in die Kaserne nach Altenstadt, wo die Männer von Saller bis zum Abend ihren LTM 1450-8.1 zugbereit aufgebaut hatten. In aller Frühe ging es am folgenden Tag zur Sache. Günter Ulrich schwenkte die eigens angefertigte Traverse mit zwölf Metern Länge über das Flugzeug. Breite Hebebänder wurden um dessen Rumpf gelegt und präzise ausgerichtet. Spannend war das erste Anheben des Fliegers, denn mit der prognostizierten Bruttolast von 34,5 Tonnen bei einer beachtlichen Ausladung von 30 Metern kratzte der Kran an der Grenze seiner Traglasttabelle. Doch tatsächlich war nach dem Ausbau von geheimer Militärtechnik sowie von Seilzügen und Steuerstangen das Leergewicht der Maschine im berechneten Bereich.

Auf dem Rücken des Steinbocks - Nicht nur beim Handling von schweren Gütern äußerst praktisch ist das Feldumschlaggerät des Herstellers Steinbock. Beste Aussicht aufs Geschehen genießen hier drei Soldaten der Luftlandeschule.

Präzise Punktlandung beim „Touchdown“

Beim Absetzen der Transall auf der Zwischenposition zeigte sich, was Expertenkönnen bedeutet: Mit hoher Präzision brachten Günther Ulrich und die restliche Crew den über 30 Meter langen Lastenflieger mit seiner Spannweite von exakt 40 Metern zwischen Mobilkran und angrenzendem Gebäude wieder auf den Boden. Keine 60 Zentimeter Platz zwischen Flugzeugschnauze und Hallenwand. Ein Touchdown mit Bravour!

Wenige Stunden später – der Mobilkran war inzwischen neu positioniert – gestaltete sich der zweite „Flug“ der C-160 auf die geplante Endposition dann fast schon als Routine. Eine der Tragflächen musste sich mit kraftvoller Unterstützung einiger Soldatenarme an den Halteseilen zwar etwas durch die Wipfel umstehender Bäume kämpfen, aber nach kurzer Zeit standen die Fahrwerke auf den vorbereiteten Betonsockeln und die betagte Militärmaschine war in Position. Die Transall war nach langer und abwechslungsreicher Dienstzeit endgültig im Ruhestand gelandet.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2023.

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