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Interview mit den Familiengesellschaftern

Dr. h.c. Isolde Liebherr, Vizepräsidentin des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG, Dr. h.c. Willi Liebherr, Präsident des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG sowie Stéfanie Wohlfarth und Philipp Liebherr, Mitglieder des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG, im Gespräch.

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In unserem letztjährigen Interview sprachen wir darüber, wie die Corona-Pandemie die Welt verändert hat. Nun – ein Jahr später – scheinen wir erneut vor einer Zeitenwende zu stehen. Wie kommentieren Sie den Krieg in der Ukraine?

Isolde Liebherr: Zunächst einmal ist es uns ein Anliegen, den Menschen in der Ukraine und den zahlreichen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, unser tiefes Mitgefühl auszudrücken. Den Familien der Opfer gilt unsere Anteilnahme.

Willi Liebherr: Wir hoffen noch immer auf eine möglichst rasche Beendigung der Kampfhandlungen. Bis vor kurzem hätten wir eine solche Eskalation nicht für möglich gehalten. Es ist unfassbar, was in Europa gerade geschieht. Das erinnert mich an längst vergangen geglaubte Zeiten.

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Auf welche Weise engagiert sich Liebherr für die Menschen in der Ukraine?

Stéfanie Wohlfarth: Die humanitären Folgen des Krieges sind furchtbar. Deshalb haben wir beschlossen, unter anderem an das Schweizerische Rote Kreuz und an das UN-Flüchtlingshilfswerk zu spenden. Damit wollen wir das Engagement der beiden Organisationen für die Menschen im Kriegsgebiet und auf der Flucht unterstützen.

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Wie ist Liebherr in der Ukraine und in Russland aufgestellt?

Philipp Liebherr: In der Ukraine arbeiten wir mit langjährigen Handelspartnern zusammen, die unsere Baumaschinen sowie Kühl- und Gefriergeräte vor Ort vertreiben. In Russland sind wir bereits seit 1965 aktiv. Heute betreiben wir dort zwei Produktionsstätten in der Region Nischni Nowgorod und eine Vertriebs- und Servicegesellschaft mit Hauptsitz in Moskau, die über landesweite Niederlassungen verfügt.

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Welche Folgen hat der Krieg für das Russland-Geschäft der Firmengruppe?

Willi Liebherr: Wir beobachten und evaluieren die Situation in der Ukraine wie auch in Russland täglich. In den letzten Wochen ging es darum, unsere Russland-Aktivitäten auf die Sanktionen, die gegen das Land verhängt wurden, auszurichten. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf unsere dortige Geschäftstätigkeit sind aktuell schwer abzuschätzen – wir rechnen jedoch mit deutlichen wirtschaftlichen Folgen.

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Ist auch mit Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung der Firmengruppe zu rechnen?

Isolde Liebherr: Im Detail lässt sich das aus heutiger Sicht nicht beziffern. Wenn man sich die Einschätzung verschiedener Institute ansieht, zeichnen sich ernste Folgen für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte ab. Die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise treiben demnach die Inflation weiter in die Höhe. Auch die gegen Russland verhängten Sanktionen werden einen erheblichen Einfluss haben. Wir sind mit einer sehr guten Auftragslage in das Jahr 2022 gestartet und blicken trotz der veränderten Rahmenbedingungen verhalten optimistisch auf den weiteren Jahresverlauf.

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Auch wenn das Geschäft in solchen Zeiten in den Hintergrund tritt, würden wir mit Ihnen gerne noch auf das Jahr 2021 zurückblicken. Wie kommentieren Sie die Geschäftsentwicklung?

Willi Liebherr: Nun, zunächst einmal muss man sagen, dass die Rahmenbedingungen im letzten Jahr nicht einfach waren. Bis ins erste Quartal 2021 waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch deutlich zu spüren. Wir mussten in dieser Zeit den Betrieb trotz der Einschränkungen aufrechterhalten, unserer Verantwortung für die Gesundheit unserer Mitarbeitenden gerecht werden und gleichzeitig die Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden gewährleisten. Das war schon eine Herausforderung.

Als sich die Weltwirtschaft ab dem zweiten Quartal dann belebte, hatten wir es mit einer Mischung aus Engpässen in den globalen Lieferketten, steigenden Beschaffungskosten, anhaltenden regionalen Lockdowns und anderen pandemiebedingten Einschränkungen zu tun. Ich denke, diese Situation haben wir nicht nur irgendwie, sondern sehr erfolgreich gemeistert.

Isolde Liebherr: Das sehe ich auch so. Unser Jahresabschluss spricht eine deutliche Sprache. Nach dem Rückgang in 2020 haben wir im letzten Jahr mit 11.639 Millionen Euro fast schon wieder den Rekordumsatz von 2019 erreicht. Gleichzeitig haben wir die Investitionen wieder erhöht. Auch die Beschäftigtenzahl liegt über dem Vorjahrswert. Mittlerweile arbeiten weltweit fast 50.000 Menschen in unserer Firmengruppe. Und zum Jahresende hatten wir einen sehr hohen Auftragsbestand, was uns wiederum in der jetzigen Situation zugutekommt.

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Das Betriebsergebnis hat ebenfalls deutlich zugenommen, richtig?

Philipp Liebherr: Ja, das Betriebsergebnis ist erfreulich gut und ein Zeichen dafür, dass sich die Geschäfte in unseren Produktsegmenten positiv entwickelt haben – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Generell sind wir jedoch mehr als zufrieden.

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Könnten Sie etwas näher auf die Entwicklung in den Produktsegmenten eingehen?

Isolde Liebherr: Mit Ausnahme der Maritimen Krane sowie der Verzahntechnik und Automationssysteme hatten wir in allen Produktsegmenten ein Umsatzwachstum gegenüber 2020 zu verzeichnen. Beispielsweise haben sich die Baubranche und die Gewinnungsindustrie positiv entwickelt. Das äußerte sich wiederum in Umsatzsteigerungen der Produktsegmente, die diese Branchen beliefern. Das Geschäft mit Mobilkranen boomt derzeit, auch aufgrund der Nachfrage aus der Windindustrie. Diese und die Entwicklung der Baubranche haben ebenfalls einen positiven Effekt auf unseren Komponentenbereich. Erfreulich ist darüber hinaus die Tatsache, dass sogar unser stark getroffener Aerospace-Bereich schneller gewachsen ist, als ursprünglich prognostiziert.

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Sie haben jedoch eben von Lieferengpässen, Materialmangel und steigenden Beschaffungskosten gesprochen. Wie gehen Sie damit um?

Willi Liebherr: Die Engpässe in den globalen Lieferketten und der Materialbeschaffung sind für uns im letzten Jahr tatsächlich zu einer der größten Herausforderungen geworden. Verschiedene Fehlteile – insbesondere im Bereich der Elektronik – haben die Fertigstellung von unseren Produkten erschwert. Einhergehend mit extrem hohen Kostensteigerungen, beispielsweise bei Rohstoffen, Elektronik, Stahl, Kunststoffen oder Energie, hat dies in unterschiedlichem Ausmaß und zu verschiedenen Zeitpunkten alle unsere Produktsegmente erreicht. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage – insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen – nicht so schnell ändern, sondern in vielen Bereichen noch verschärfen wird.

Stéfanie Wohlfarth: In der Vergangenheit haben langjährige Partnerschaften mit Lieferanten, wie auch unsere zum Teil hohe interne Fertigungstiefe, eine solide Versorgung stets ermöglicht. Daran soll sich auch grundsätzlich nichts ändern. Falls sich die aktuelle Situation jedoch mittelfristig nicht verbessert, müssen wir entsprechende Anpassungen in den einzelnen Produktsegmenten vornehmen und zusätzliche Beschaffungsmöglichkeiten erschließen. Dabei ist sicherlich von Vorteil, dass wir aufgrund unserer Multi-Sourcing-Strategie bereits jetzt breit aufgestellt sind. Wir werden auch in Zukunft eine größtmögliche Versorgungssicherheit anstreben.

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Welche Fortschritte hat die Firmengruppe im letzten Jahr in technologischer Hinsicht gemacht?

Philipp Liebherr: Wir haben beispielsweise unsere Arbeit an alternativen Antriebstechnologien fortgeführt. Unser Ziel ist es, die Effizienz und Umweltverträglichkeit unserer Maschinen noch weiter zu verbessern. Und auch auf dem Gebiet der digitalen Lösungen haben wir Fortschritte gemacht. Dazu gehören Technologien zur intelligenten Vernetzung, Fernsteuerung und Automatisierung sowie verschiedene digitale Services.

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Könnten Sie uns hierzu Beispiele nennen?

Stéfanie Wohlfarth: Bei den Kühl- und Gefriergeräten haben wir beispielsweise mit den neuen Generationen der SmartDevice App und der SmartDeviceBox eine Vernetzungs- und Steuermöglichkeit unserer neuen Einbaugeräte-Reihe geschaffen. Eine App für den Kundenservice bietet darüber hinaus die Möglichkeit, diese neue Gerätegeneration per Smartphone zu analysieren und zu warten.

Ein Beispiel im Bereich Maschinenautomatisierung und Assistenzsysteme kommt aus unserem Mining-Segment. Unser Trolley Guidance System automatisiert verschiedene Prozesse: die Lenkung des Mining-Trucks unter der Trolley-Leitung sowie das Heben und Senken des Stromabnehmers.

Philipp Liebherr: Ein weiteres Beispiel ist unsere Remote-Service-App für Raupenkrane, Spezialtiefbaumaschinen und maritime Krane: Der Echtzeit-Support zur Problemidentifikation aus der Ferne wurde durch weitere Service-Tools ergänzt. Auch die Funktionen des digitalen Service „MyJobsite“ werden laufend weiterentwickelt. So können wir die steigenden Anforderungen zur Erfassung, Darstellung, Analyse, Verwaltung und Auswertung von Daten im Spezialtiefbau bestmöglich unterstützen.

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Sie sagten eben, dass Sie das Ziel haben, die Produkte im Bereich der Antriebe noch effizienter und umweltverträglicher zu machen. Auf welche Technologien setzt Liebherr hier?

Willi Liebherr: Unsere Produkte sind weltweit in vielen Branchen und unzähligen Anwendungen im Einsatz. Deshalb müssen wir den unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden und verfolgen einen technologieoffenen Ansatz. Für die Energieumwandlung setzen wir auf Elektromotoren, Brennstoffzellen, Batterien, Verbrennungsmotoren oder auf die Kombination in Form von Hybridantrieben. Damit ist es möglich, auf eine ganze Bandbreite von Energieträgern zurückzugreifen. Dazu zählen elektrische Energie, Wasserstoff, E-Fuels wie Ammoniak und Methanol, hydrierte Pflanzenöle (HVO) oder sogar auch fossiler Diesel in Kombination mit der modernsten Verbrennungsmotor- und Abgasnachbehandlungstechnik.

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Was war hier der Fokus im letzten Jahr?

Philipp Liebherr: Wir haben unter anderem an Lösungen für wasserstoffgetriebene Verbrennungsmotoren und deren Einspritztechnologien gearbeitet und verschiedene Produktlinien auf den Einsatz von klimaneutralen hydrierten Pflanzenölen (HVO) zugelassen. Mittlerweile liefern wir an mehreren Standorten unsere Produkte standardmäßig ab Werk mit HVO anstelle von fossilem Diesel aus. Dazu gehören Mobilkrane sowie Erdbewegungs- und Materialumschlagmaschinen.

Darüber hinaus haben wir die Baureihen unserer vollelektrischen Fahrmischer, Elektro-Raupenbagger und batteriebetriebenen Raupenkrane erweitert. Ein vollelektrischer Offshore-Kran ist ebenfalls in Entwicklung. Sehr erfreulich ist auch eine Vereinbarung, die wir mit Airbus getroffen haben. Dabei geht es um die gemeinsame Entwicklung der Technologien für das zu 100 % wasserstoffbetriebene Flugzeug ZeroE.

Stéfanie Wohlfarth: Im Zusammenhang mit Energieeffizienz möchte ich auch noch unsere Kühl- und Gefriergeräte erwähnen. Im letzten Jahr ist eine neue Verordnung zur Ausweisung der Energieeffizienz von Elektrogeräten innerhalb der EU in Kraft getreten. Wir sind sehr stolz, dass unsere Geräte auch nach der Umstellung Spitzenplätze belegen.

Unser Beitrag zu einer emissionsärmeren Zukunft besteht aber meiner Meinung nach nicht nur in der Verringerung des ökologischen Fußabdrucks unserer Produkte. Wir sind ja auch in Branchen aktiv, die für die Energiewende enorm wichtig sind, beispielsweise in der Windindustrie. Unsere Komponenten werden in Windkraftanlagen eingebaut, bei deren Errichtung wiederum unsere Krane zum Einsatz kommen. Und unser Produktsegment Verzahntechnik und Automationssysteme unterstützt mit seinen Technologien die E-Mobilität.

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Vieles von dem, was Sie formuliert haben, geht in Richtung Corporate Responsibility. Das Thema gewinnt immer mehr an Bedeutung und die Anforderungen an Unternehmen steigen. Wie stellt sich die Firmengruppe in dieser Hinsicht auf?

Isolde Liebherr: Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Unternehmerische Verantwortung ist seit Jahrzehnten eines unserer Prinzipien und Bestandteil unserer Grundwerte. Sie hat deshalb bei unternehmerischen Entscheidungen schon immer die Basis gebildet. In der Vergangenheit haben wir aufgrund der Dezentralität und Diversifikation der Firmengruppe zahlreiche CR-Aktivitäten dezentral in den einzelnen Produktsegmenten und Gesellschaften umgesetzt. Verschiedene Themen wurden aber auch auf übergreifender Ebene etabliert.

Stéfanie Wohlfarth: Derzeit sind wir dabei, ein Gesamtkonzept für Corporate Responsibility in der Firmengruppe zu erarbeiten und in der Organisation zu verankern. Darauf basierend werden wir eine übergreifende CR-Berichterstattung für wesentliche Themen in die Wege leiten. Die Publikation des ersten gruppenweiten CR-Berichtes ist für das Jahr 2024 vorgesehen. Wir hoffen, dass wir bis dahin wieder in einem stabileren Umfeld agieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieses Interview wurde im März 2022 geführt

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